Rechtsanwalt für kirchliches Arbeitsrecht

Das Kirchenarbeitsrecht ist zurzeit im Umbruch. Unter anderem schränken zwei wegweisende europäische Gerichtsentscheidungen die Freiräume der Kirchen erheblich ein. Viele Fälle erscheinen daher in einem neuen Licht. Herr Björn Petermann berät Sie zur neuen Rechtslage.

  1. Besondere Regelungen im kirchlichen Arbeitsrecht
  2. Besonderheiten für Arbeitnehmer im kirchlichen Arbeitsrecht
  3. Kündigungsschutz im kirchlichen Arbeitsrecht
  4. Abschließender Überblick

1. Besondere Regelungen im kirchlichen Arbeitsrecht für Arbeitgeber

Religionsgemeinschaften sind im Grundgesetz (GG) besonders geschützt. Dies geht auf Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRF) zurück, der nach Art. 140 GG in das GG eingegliedert wurde. Demnach gewährt man ihnen ein sog. kirchliches Selbstbestimmungsrecht, wodurch sich die Kirchen selbstständig ordnen und verwalten können.

Das kirchliche Arbeitsrecht gilt grundsätzlich für alle Arbeitnehmer eines kirchlichen Arbeitgebers. Inbegriffen sind karitative und  erzieherische Einrichtungen unter kirchlicher Leitung, also zum Beispiel die Caritas, die Diakonie sowie kirchliche Schulen und Kindergärten.

Insgesamt lassen sich drei wesentliche Strukturprinzipien des kirchlichen Selbstverwaltungsrechts festlegen:

Erhöhte Pflicht zur Loyalität:  Zwar müssen auch kirchliche Arbeitgeber das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) achten und dürfen Arbeitnehmer nicht aufgrund einer anderen Weltanschauung diskriminieren (s. Besonderheiten für Arbeitnehmer im kirchlichen Arbeitsrecht). Trotzdem gibt es Bereiche, in denen der kirchliche Arbeitgeber verlangen kann, dass seine Arbeitnehmer seine Glaubens- und Moralvorstellungen teilen. Das kann sogar soweit gehen, dass die Arbeitnehmer auch im Privatleben danach handeln müssen. Ist das nicht der Fall, kann sogar eine Kündigung drohen. Außerdem kann eine bestimmte Konfession Einstellungsvoraussetzung sein.

Betriebliche Mitbestimmung: Beschäftigte eines kirchlichen Arbeitgebers können nicht auf einen Personal- oder Betriebsrat zurückgreifen. Im kirchlichen Arbeitsrecht existiert an dessen Stelle eine sog. Mitarbeitervertretung, durch die sich Arbeitnehmer an Betriebsentscheidungen beteiligen können. Das Mitspracherecht in diesen Mitarbeitervertretungen hat aber meistens einen eher geringen Einfluss und ist nicht mit dem Mitbestimmungsrecht eines gewöhnlichen Personal- oder Betriebsrats zu vergleichen

Der sog. dritte Weg: Anders als im „normalen“ Arbeitsrecht, wo die Arbeitsbedingungen entweder durch den Arbeitgeber (sog. erster Weg) oder durch Tarifverhandlungen (sog. zweiter Weg) festgelegt werden, wählen kirchliche Arbeitgeber regelmäßig einen sog. dritten Weg. Im dritten Weg bestimmen besondere Kommissionen, die aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestehen, die wesentlichen Arbeitsgrundsätze. So soll ein Gleichgewicht zwischen beiden Parteien geschaffen werden. Kommt es zu einem Konflikt, so entscheidet in der Regel ein neutraler Vorsitzender

Zusammenfassend lässt sich daher zunächst festhalten, dass kirchliche Arbeitgeber wegen der besonderen Regeln im Kirchenarbeitsrecht einen größeren Handlungsspielraum haben als private Arbeitgeber. Dieser ist zuletzt eingeschränkt worden. Dennoch bestehen wichtige Sonderrechte.

Wie Sie diese als Arbeitgeber rechtssicher nutzen, legen wir Ihnen gerne und angepasst auf Ihre Bedürfnisse dar. 

2. Besonderheiten für Arbeitnehmer im kirchlichen Arbeitsrecht

Natürlich werden aber nicht nur die Kirchen als Arbeitgeber geschützt, sondern auch nicht-religiöse Arbeitnehmer vor einer Ungleichbehandlung durch die Kirche. Unter anderem zu diesem Zweck gibt es das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), welches Arbeitnehmer vor Diskriminierungen wegen ihrer Religion oder Weltanschauung bewahren soll. Der Schutz gilt umfassend: So werden beispielsweise Bewerber genauso geschützt wie bereits fest angestellte Arbeitnehmer.

In § 9 AGG wird aus diesem Grund normiert, dass eine Ungleichbehandlung aufgrund der Religion nur zulässig ist, wenn diese nach der Art der Tätigkeit oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Wann das der Fall ist, zeigen folgende Beispielsfälle:

Beispiel 1: Bei der Einstellung eines Pastors kann die Kirche die Religionszugehörigkeit des Bewerbers verlangen. Hier wird man davon ausgehen können, dass der Glauben an die Kirche eine wichtige Voraussetzung für das korrekte Ausüben der Tätigkeit ist.

Beispiel 2: Etwas anderes gilt beispielsweise für eine Reinigungskraft, die die kirchlichen Räumlichkeiten regelmäßig putzt. Von ihr kann nicht verlangt werden, einem bestimmten Glauben zugehörig zu sein – Denn dieser wirkt sich nicht auf ihre Arbeitsleistung aus.

Kommt es doch zu einer Benachteiligung (z.B. der Reinigungskraft aus Bsp. 2 wird gekündigt, als der kirchliche Arbeitgeber herausfindet, dass sie Atheistin ist), so kann der Arbeitnehmer oder Bewerber gem. § 15 Abs. 1 AGG eine Entschädigung in Geld verlangen.

Diese Rechtsprechung ist neu. Ihr lag folgender Fall zugrunde:

Am 25.10.2018 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) im Falle einer abgelehnten Bewerberin beim Werk der evangelischen Kirche in Deutschland. Sie hatte sich für einen Job als Referentin beworben, wurde aber abgelehnt. Stattdessen wurde die Stelle an einen evangelischen Bewerber vergeben.

Die Richter waren der Ansicht, die Bewerberin sei aufgrund ihrer Religion bzw. ihrer Religionslosigkeit benachteiligt worden. Um eine bestimmte Konfession verlangen zu dürfen, müsse Tätigkeit nämlich einen engen Bezug zu den Glaubensinhalten aufweisen. Dies sei vorliegend zweifelhaft gewesen, insbesondere weil die Bewerberin im Team gearbeitet hätte und nie selbstständige Entscheidungen, die das Ethos des Arbeitgebers betreffen, hätte treffen dürfen. Thematisch hätte unter anderem die Erarbeitung von Berichten über die Umsetzung der UN-Antirassismuskonvention im Vordergrund gestanden. Insofern sei die Benachteiligung auch nicht ausnahmsweise nach § 9 Abs. 1 AGG zu rechtfertigen. Im Ergebnis wurde der Bewerberin daher eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zugesprochen.

Die Entscheidung stellt eine Trendwende dar. Als abgelehnter Bewerber sollten Sie diese nutzen. Ein baldiger Beratungstermin bietet sich an, um Fristen nicht verstreichen zu lassen. Arbeitgeber sehen sich erheblicher Unsicherheit über verbleibende Spielräume gegenüber. Wir prüfen für Sie, ob die Religionszugehörigkeit für bestimmte Stellen verlangt werden kann.

3. Kündigungsschutz im kirchlichen Arbeitsrecht

Der Kündigungsschutz im kirchlichen Arbeitsrecht ist maßgeblich geprägt von  den angesprochenen Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer. Diese eröffnen dem kirchlichen Arbeitgeber Kündigungsgründe, die im privaten Arbeitsrecht unzulässig sind.

Bisher galt, dass der Arbeitgeber recht frei selbst bestimmen durfte, wann gegen die Loyalitätspflicht hinreichend verstoßen wurde, um eine Kündigung zu rechtfertigen.

Dieser Auffassung trat vor kurzem eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) entgegen und deutete auf eine Trendwende hin:

Am 11.09.2018 entschied der EuGH, dass dem Chefarzt eines katholischen Krankenhauses nicht gekündigt  werden darf, wenn dieser ein zweites Mal heiratet. Einer solchen Kündigung liegt nämlich eine verbotene Diskriminierung  zugrunde – deshalb muss sie unwirksam sein. Die Kirche hatte ihm zuvor gerade wegen dieser Loyalitätsverletzung gekündigt.

Eine Ungleichbehandlung (hier: die Kündigung) aufgrund der Religion sei nur gerechtfertigt, wenn die beruflichen Anforderungen anders nicht erfüllt werden können. Im Fall eines Chefarztes, der insbesondere für die Patientenberatung und medizinische Betreuung zuständig sei, könne davon nicht ausgegangen werden. Insbesondere gebe es auch nicht-katholische Chefärzte, die ihre Arbeit gut verrichteten. Insofern liege in der Kündigung wegen Wiederheirat eine verbotene Diskriminierung.

Die Richter entschieden also entgegen der Auffassung der Kirche, dass das Verhalten gerade keine kündigungstaugliche Loyalitätsverletzung darstelle. Dieses Vorgehen ist neu.

Häufig wird die Kündigung vom kirchlichen Arbeitgeber auf religiöse Gründe gestützt. Dies ist nach wie vor möglich, allerdings eingeschränkter als zuvor. Wir beraten Arbeitgeber und Arbeitnehmer umfassend über verbleibende Spielräume der Kirchen. 

4. Abschließender Überblick

Insgesamt genießen Kirchen als Arbeitgeber somit einen gesteigerten Schutz und können von ihren Arbeitnehmern erhöhtes loyales Verhalten sowie in Einzelfällen auch eine bestimmte Religionszugehörigkeit verlangen. Natürlich wird dieser Spielraum aber nur innerhalb bestimmter Grenzen  gewährt. Zuletzt sind diese erheblich eingeschränkt worden.