Viele Arbeitsverträge sehen Vertragsstrafen vor. Wir erklären Ihnen, welchen Zweck und Inhalt solche Vereinbarungen haben und unter welchen Voraussetzungen sie wirksam sind.
- Was ist der Zweck einer Vertragsstrafe
- Wie kann die Vertragsstrafe vereinbart werden?
- Wann sind Vertragsstrafen unwirksam?
- Folgen einer unwirksamen Vertragsstrafe
- Wann kann der Arbeitgeber den Lohn einbehalten?
- Fazit
- Was wir für Sie tun können
1. Was ist der Zweck der Vertragsstrafe?
In Arbeitsverträgen werden häufig Klauseln vereinbart, wonach der Arbeitnehmer bei Verstößen gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten Strafe zahlen muss.
Dadurch soll folgendes erreicht werden:
- Der Arbeitgeber soll ein besonderes Druckmittel gegen den Arbeitnehmer erhalten, um ihn zur ordnungsgemäßen Arbeitsleistung anzuhalten – schließlich muss der Arbeitnehmer anderenfalls Strafe zahlen.
- Zum anderen erleichtert die Vertragsstrafe dem Arbeitgeber bei einer Vertragsverletzung durch den Arbeitnehmer die Geltendmachung von Schadensersatz ohne im Einzelfall die Höhe des Schadens nachweisen zu müssen.
Beispiele für Situationen, in denen Vertragsstrafen vereinbart werden:
- Der Arbeitnehmer verhält sich rechtswidrig, indem er den Dienstantritt verweigert.
- Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen: In Arbeitsverträgen ist häufig vorgesehen, dass keine Geschäftsgeheimnisse an Konkurrenten weitergegeben werden dürfen. Verstößt ein Arbeitnehmer gegen eine solche Pflicht und gibt Geschäftsgeheimnisse weiter, macht er sich dadurch schadensersatzpflichtig. Er muss also dem Arbeitgeber den Schaden ersetzen, der durch die Weitergabe der Geschäftsgeheimnisse entstanden ist. Der Nachweis eines solchen Schadens und seiner Höhe ist für den Arbeitgeber aber häufig sehr schwer zu erbringen. Ist eine Vertragsstrafe vereinbart, so kann der Arbeitgeber auch dann Zahlung vom Arbeitnehmer verlangen, wenn gar nicht klar ist, ob durch die Weitergabe der Geschäftsgeheimnisse überhaupt ein Schaden beim Arbeitgeber entstanden oder wie hoch dieser ist.
- Vertragsstrafen werden häufig auch zur Absicherung von Wettbewerbsverboten vereinbart.
2. Wie kann die Vertragsstrafe vereinbart werden?
- Die Vertragsstrafe kann im Einzelarbeitsvertrag, das heißt in dem Vertrag unmittelbar zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vereinbart sein.
- Auch im Tarifvertrag ist dies möglich. Dann hat sich die jeweilige Gewerkschaft mit dem Arbeitgeber oder dem Arbeitgeberverband darauf geeinigt.
- Denkbar ist auch, dass sich Betriebsrat und Arbeitgeber auf eine Vertragsstrafe einigen, dann ist diese in einer Betriebsvereinbarung enthalten. Lt. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist eine solche Betriebsvereinbarung allerdings unwirksam, wenn darin einzelvertraglichen Vertragsstrafen der Vorrang eingeräumt wird, die für den Arbeitnehmer ungünstiger sind.
3. Wann sind Vertragsstrafen unwirksam?
Es kommt vor, dass Vertragsstrafen vereinbart werden, die nach dem Gesetz unwirksam sind. Immer unwirksam sind Vertragsstrafen für bestimmte besonders schutzwürdige Personengruppen, das sind insbesondere:
- Praktikanten
- Volontäre
- Auszubildende
- Anlernlinge (Mitarbeiter, die angelernt werden, aber keine umfassende Berufsausbildung durchlaufen)
Besonders häufig werden Vertragsstrafen in sog. Allgemeinen Geschäftsbedingungen/Formulararbeitsverträgen vereinbart. Dabei handelt es sich um Vertragsbedingungen, die vom Arbeitgeber vorformuliert sind und für eine Vielzahl von Verträgen verwendet werden, ohne im Einzelfall mit dem Arbeitnehmer ausgehandelt zu werden. Die allermeisten Arbeitsverträge sind Formulararbeitsverträge. Für Vertragsstrafen, die in solchen Formulararbeitsverträgen vereinbart werden, gelten besondere gesetzliche Regelungen, die im Folgenden dargestellt werden.
Vertragsstrafen in individuellen Arbeitsverträgen können hingegen recht frei vereinbart werden. Maßgebliche Grenze ist hier die Sittenwidrigkeit, die aber nur in Fällen extremer Benachteiligung (meist) des Arbeitnehmers angenommen werden kann.
a) Zu unbestimmte Formulierung
Die Vereinbarung zur Vertragsstrafe muss klar und deutlich formuliert sein, sodass der Arbeitnehmer sich darauf einstellen kann, in welchen Fällen er mit einer Vertragsstrafe rechnen muss.
Unwirksam in Formulararbeitsverträgen sind daher zum Beispiel Vertragsstrafen
- Für „schuldhaft vertragswidriges Verhalten“ ohne weitere Erläuterung
- für „einen gravierenden Vertragsverstoß“
- für die „Nichteinhaltung des Vertrages“
- für „Arbeitsbummelei“ des Arbeitnehmers
- für „wiederholt verspätete Arbeitsaufnahme“
Um den Bestimmtheitsgrundsatz einzuhalten, sollten die zu bestrafenden Pflichtverletzungen konkret aufgelistet werden.
Zulässig ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich „vertragswidrig vom Arbeitsverhältnis löst“. Das erfasst dann solche Situationen, in denen der Arbeitnehmer rechtswidrig seine Arbeitsleistung verweigert, etwa indem er fristlos kündigt, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Auch die Höhe der Vertragsstrafe muss bestimmt sein. Dafür muss aber kein konkreter Geldbetrag angegeben werden. Es genügt, wenn eine Obergrenze bestimmt ist und der Arbeitgeber innerhalb dieser die Höhe der Vertragsstrafe festlegt. Dies geschieht in der Praxis häufig unter Bezugnahme auf das Monatsgehalt des Arbeitnehmers.
b) Kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers
Formularmäßige Vertragsstrafen sind nur dann wirksam, wenn der Arbeitgeber daran ein berechtigtes Interesse hat. Die Rechtsprechung verlangt dafür, dass dem Arbeitgeber durch Vertragsverletzungen ein schwer nachweisbarer erheblicher Schaden droht.
Ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers kann vorliegen bei der Sicherung:
- Der Hauptpflicht des Arbeitnehmers: der Erbringung der Arbeitsleistung (z.B. wenn der Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag abschließt und dann nie den Dienst antritt, weil er eine andere Position angenommen hat). Hier wird ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers regelmäßig gegeben sein, da ihm häufig schwer bezifferbare Schäden drohen.
- Nebenpflichten des Arbeitnehmers: Hier kann es zum Beispiel um Geheimhaltungspflichten oder
Wettbewerbsverbote gehen.
Bei einigen Nebenpflichten, etwa dem verspäteten Einreichen von ärztlichen Attesten im Krankheitsfall, droht dem Arbeitgeber allerdings kein erheblicher Schaden, so dass eine Vertragsstrafe für derartige Pflichtverletzungen unwirksam ist. Für die Vereinbarung von Vertragsstrafen für Nebenpflichten ist daher besondere Vorsicht angebracht.
Das Interesse des Arbeitgebers muss bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages vorliegen.
c) Zu hohe Vertragsstrafe
Die formularmäßig vereinbarte Vertragsstrafe ist auch dann unwirksam, wenn darin eine Vertragsstrafe in unangemessener Höhe vereinbart wird. Wann eine Vertragsstrafe der Höhe nach unangemessen ist, bestimmt sich u.a. nach dem Interesse des Arbeitgebers.
Eine feste Grenze für die Höhe der Vertragsstrafe gibt es nicht.
Soweit es um die Sicherung der Arbeitsleistung als solche geht, dient zur Orientierung einerseits die Höhe des vereinbarten Arbeitsentgeltes und andererseits die Kündigungsfrist. Besteht also eine Kündigungsfrist von einem Monat, so ist eine Vertragsstrafe von einem Monatsgehalt in der Regel angemessen. Beträgt – wie häufig in der Probezeit – die Kündigungsfrist nur zwei Wochen, ist demnach nur ein halbes Monatsgehalt als Vertragsstrafe angemessen.
d) Verschuldensunabhängige Vertragsstrafe
Vertragsstrafen können nur für schuldhafte Verletzungen des Arbeitnehmers vereinbart werden (für die der Arbeitnehmer „etwas kann“). Eine Vertragsstrafe, die ausdrücklich auch für unverschuldete Verletzungen gilt, ist unwirksam.
Unwirksam wäre zum Beispiel also eine Vertragsstrafe für Krankheit des Arbeitnehmers.
4. Folgen einer unwirksamen Vertragsstrafe
Verstößt die formularmäßige Vertragsstrafe gegen diese Voraussetzungen, ist sie unwirksam. Ist eine zu hohe Vertragsstrafe vereinbart, wird überhaupt keine Vertragsstrafe geschuldet– die Vereinbarung wird also nicht auf das gesetzlich Erlaubte reduziert!
Eine Vertragsstrafe kann zudem nur für Pflichten vereinbart werden, die der Arbeitnehmer tatsächlich einhalten muss. Besteht eine Pflicht nicht wirksam, kann ein „Verstoß“ gegen sie nicht zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichten. Ist zum Beispiel das gesamte Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Pflichtverletzung unwirksam, so ist auch die Vertragsstrafe nicht zu beachten. Aber auch einzelne Pflichten aus dem Arbeitsvertrag können unwirksam sein. Insbesondere im Bereich nachvertraglicher Wettbewerbsverbote ist häufig bereits das Wettbewerbsverbot rechtswidrig. Dann kann der Arbeitgeber auch keine Vertragsstrafe verlangen, wenn der Arbeitnehmer gegen dieses (unwirksame!) Wettbewerbsverbot „verstößt“.
5. Wann kann der Arbeitgeber den Lohn einbehalten?
Wenn der Arbeitnehmer eine Vertragsstrafe zu zahlen hat, kann der Arbeitgeber diese Vertragsstrafe mit dem Lohn des Arbeitnehmers gegebenenfalls aufrechnen. Er kann also die Vertragsstrafe vom Lohn abziehen. Dabei muss der Arbeitgeber aber beachten, dass zunächst die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgezogen werden müssen. Die Vertragsstrafe kann also nur mit dem Nettolohn verrechnet werden. Auch dann gelten aber bestimmte Grenzen: Dem Arbeitnehmer darf zum Beispiel nicht durch die Verrechnung sein Existenzminimum entzogen werden.
6. Fazit
Vertragsstrafen sind für Arbeitgeber als besonderes Druckmittel sinnvoll. Sie sind aber in Formulararbeitsverträgen nur wirksam, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- der Arbeitnehmer muss erkennen können, wann die Vertragsstrafe anfällt
- Berechtigtes Interesse des Arbeitgebers; z.B. weil ihm ein schwer nachweisbarer Schaden droht
- Angemessene Höhe
- keine Vertragsstrafe für verschuldensunabhängiges Verhalten
Insbesondere wenn es um vertragliche Nebenpflichten geht, ist das berechtigte Interesse sehr genau zu prüfen.
Für den Arbeitnehmer bedeutet eine Vertragsstrafe, dass er, wenn er der gesicherten Pflicht aus dem Arbeitsvertrag nicht nachkommt, eine Strafe zahlen muss und unter Umständen diese mit seinem Lohn verrechnet wird.
7. Was wir für Sie tun können
Für Arbeitgeber:
Vertragsstrafen sind ein wichtiges und immer wieder unterschätztes Instrument, um Ihre Interessen zu schützen. Allerdings ist schon bei ihrer Formulierung die größte Hürde gesetzt: Wegen der einseitigen Belastung des Arbeitnehmers setzt die Rechtsprechung an Bestimmtheit und Angemessenheit hohe Maßstäbe. Nur mit fachanwaltlicher Beratung lassen sich hier rechtssichere Lösungen finden.
Wir formulieren daher für Sie optimal abgestimmte Arbeitsverträge, die auch mithilfe von Vertragsstrafen Ihre Interessen schützen.
Im Falle eines Verstoßes setzen wir uns für die Durchsetzung der Vertragsstrafe außergerichtlich sowie gerichtlich ein.
Für Arbeitnehmer:
Sollten Sie zur Zahlung einer Vertragsstrafe aufgefordert worden sein, empfehlen wir Ihnen dringend den Gang zum Fachanwalt für Arbeitsrecht. Die Formulierung von Vertragsstrafen hält diverse Fallstricke bereit, die immer wieder zur Unwirksamkeit der Klauseln führen. In diesen Fällen schulden Sie keine Zahlung. Wir beraten Sie umfassend zu diesem Thema. Profitieren Sie von unserer langjährigen Erfahrung!