Erbvertrag: So gelingen Rücktritt, Widerruf oder Anfechtung

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Ist ein Erbvertrag einmal geschlossen, ist der Erblasser daran stärker gebunden als an ein Testament. Die Aufhebung oder Änderung des Erbvertrags ist also deutlich schwieriger. Doch auch der Erbvertrag kann unter gewissen Voraussetzungen rückgängig gemacht werden.

Wie der Erblasser einen Erbvertrag widerrufen oder ändern kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

  1. Was ist ein Erbvertrag?
  2. Erbvertrag per Vertrag aufheben
  3. Erbvertrag per Testament auflösen
  4. Rücktritt vom Erbvertrag
  5. Den Erbvertrag per Anfechtung rückgängig machen
  6. Fazit
  7. Was wir für Sie tun können

1. Was ist ein Erbvertrag?

In einem Erbvertrag wird geregelt, was mit dem Vermögen nach dem eigenen Tod geschehen soll. Im Prinzip räumt der Erbvertrag alle Möglichkeiten ein, die auch das Testament bietet.

Damit von einem Erbvertrag gesprochen wird, muss wenigstens eine „vertragsmäßige Verfügung“ enthalten sein. Es handelt sich dabei um eine Regelung im Erbvertrag, in der sich der Erblasser vertraglich gegenüber einem anderen bindet. Er kann die Verfügung also nicht mehr ohne Weiteres ändern.

Beispiel: A sichert B zu, dass B nach dem Tod von A dessen Haus bekommen wird. Im selben Vertrag verspricht B,

  • den A bis zum Tod zu pflegen und/oder
  • seinen Unterhalt sicherzustellen.

A kann diese Anordnung nicht einfach zurücknehmen. B soll sich darauf verlassen können, dass er das Haus erhalten wird.

Beispiel für eine nicht bindende Verfügung: A ordnet im o.g. Erbvertrag an, dass C ein Vermächtnis erhalten soll. C steht B nicht nahe. A kann dieses Vermächtnis jederzeit widerrufen. 

Die Ausführungen dieses Beitrags gelten nur für bindende Verfügungen des Erblassers. Für die meisten anderen gelten dieselben Regeln wie für den Widerruf eines Testaments.

Der Erbvertrag wird zwischen dem Erblasser und einer bzw. mehreren weiteren Personen geschlossen und muss unter gleichzeitiger Anwesenheit aller Parteien notariell beurkundet werden. Danach sind die vertragsmäßigen Verfügungen für alle Parteien rechtlich bindend.

 2. Erbvertrag per Vertrag aufheben

Möchte der Erblasser sich vom Erbvertrag lösen, kann er den Erbvertrag aufheben. Dazu muss er einen neuen Vertrag mit der anderen Person schließen, der den Erbvertrag auflöst. Man spricht von einem Aufhebungsvertrag. Er bezieht sich entweder auf den gesamten Erbvertrag oder auf einzelne Verfügungen.

Vorsicht! Werden nur einzelne Verfügungen widerrufen, muss darauf geachtet werden, dass die übrigen Anordnungen im Erbvertrag eindeutig verständlich bleiben. Es kommt schnell zu Auslegungsproblemen, wenn der Vertrag nachträglich geändert wird.

Die andere Person kann zur Zustimmung nicht verpflichtet werden. Häufig erklärt sie sich aber gegen eine Leistung bereit, den Erbvertrag aufzulösen (z.B. eine einmalige Zahlung).

Wie schon zur Errichtung ist auch zur Aufhebung des Erbvertrags der Gang zum Notar notwendig. Beide Parteien müssen den Aufhebungsvertrag dort unterschreiben.

Problematisch wird es, wenn eine Partei des Erbvertrags bereits verstorben ist. Dann ist ein Aufhebungsvertrag nicht mehr möglich.

Wichtig ist, dass der Aufhebungsvertrag gut aufgehoben wird. Andernfalls besteht schließlich die Gefahr, dass sich die Begünstigten eines Erbvertrags später darauf berufen, den Aufhebungsvertrag hätte es nie gegeben.

3. Erbvertrag per Testament auflösen

Erstellt der Erblasser nach dem Erbvertrag ein abweichendes Testament, ist dieses grundsätzlich unwirksam.

Ausnahmen davon gelten nur in zwei Fällen:

1. Das Testament hebt eine Auflage, ein Vermächtnis oder eine Rechtswahl auf. Dann ist allerdings die Zustimmung der Person erforderlich, zu deren Gunsten diese Anordnung ursprünglich getroffen wurde.   

Wie unterscheiden sich Erbeinsetzung, Vermächtnis, Auflage und Rechtswahl?

  • Bei einer Erbeinsetzung wird der Bedachte in der Sekunde des Todes automatisch Eigentümer z.B. des vererbten Vermögens.  Ein Vermächtnis gibt ihm hingegen nur einen Anspruch, das Eigentum von den Erben übertragen zu erhalten. Weigern diese sich, muss der Vermächtnisnehmer klagen. Einzelne Vermögensgegenstände werden meist per Vermächtnis übertragen.
  • Mit einer Auflage verpflichtet der Erblasser den Erben oder Vermächtnisnehmer zu einer bestimmten Handlung. Klassisches Beispiel ist die Grabpflege. Diese Pflicht kann vom Testamentsvollstrecker durchgesetzt werden.
  • Mit einer Rechtswahl bestimmt der Erblasser, welches Recht er auf seine Nachlassübertragung anwenden will. Ohne besondere Regelung ist dies das deutsche Recht.

Möchte der Erblasser per Testament ein Vermächtnis, eine Auflage oder eine Rechtswahl aufheben, benötigt er dafür die Zustimmung des Bedachten. Diese muss in notarieller Form vorliegen.

2. Die Anordnung, die widerrufen werden soll, wurde zwischen zwei Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern vereinbart. Diese können die vorherige Vereinbarung jederzeit per sog. gemeinschaftlichem Testament aufheben. Dazu müssen sie allerdings noch in einer wirksamen Ehe oder Lebenspartnerschaft leben. 

Es kommt nicht darauf an, ob die Ehegatten oder andere durch den Erbvertrag begünstigt wurden. Allein maßgeblich ist, dass die Anordnung zwischen den Ehegatten vereinbart wurde.

Beispiel: A und B sind verheiratet und vereinbaren in ihrem Erbvertrag, dass der Letztversterbende sein gesamtes Vermögen dem Kind C überträgt. Wollen A und B diese Anordnung per gemeinschaftlichem Testament ändern, muss C nicht zustimmen.

4. Rücktritt vom Erbvertrag

In bestimmten Situationen ist es auch möglich, sich ohne Zustimmung der anderen Person vom Erbvertrag zu lösen. So zum Beispiel, wenn der Erblasser vom Erbvertrag zurücktreten kann. Der Rücktritt kann im Erbvertrag vertraglich vorbehalten sein oder es liegt ein gesetzlicher Rücktrittgrund vor.

In beiden Fällen muss der Erblasser den Rücktritt mit notariell beurkundeter Erklärung ausüben. Ist der Vertragspartner schon gestorben, genügt es ausnahmsweise, dass der Erblasser ein widersprechendes Testament erstellt.

Der Erblasser muss in allen Fällen die Gründe beweisen, die ihn zu einem Rücktritt berechtigen.

Der Erblasser kann vom Erbvertrag zurücktreten, wenn ihm der Erbvertrag ausdrücklich dieses Recht gibt.

Ein gesetzliches Rücktrittsrecht besteht, wenn die im Erbvertrag bedachte Person eine Verfehlung begangen hat. Dies wird jedoch nicht sehr häufig vorkommen. Es muss sich nämlich um eine schwere Verfehlung handeln.

Schwere Verfehlungen liegen vor, wenn die andere Person,

  • den Erblasser, dessen Ehepartner, einen Abkömmling oder eine ähnlich nahestehende Person mit dem Tode bedroht,
  • schuldig an einem Verbrechen gegen den Erblasser oder ihm nahestehender Personen ist,
  • dem Erblasser bewusst keinen Unterhalt zahlt, obwohl sie dazu verpflichtet ist,
  • wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und es dem Erblasser daher unzumutbar ist, dieser das Erbe zu überlassen (was regelmäßig bei schweren Straftaten der Fall ist),
  • wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt untergebracht werden muss.

Wie die meisten Verträge ist auch der Erbvertrag ein „Nehmen und Geben“. Die Einsetzung als Erben o.ä. erfolgt also in vielen Fällen gegen eine Gegenleistung, zu der sich der Bedachte verpflichtet.

Beispiel: A setzt B als Alleinerbin ein, weil B zusichert, den A bis zum Tod zu pflegen.

Kommt der B dieser Pflicht nicht nach, kann der A vom Erbvertrag zurücktreten. Anschließend kann er neu über sein Erbe bestimmen.

Achtung: Mitunter muss der Erblasser vor dem Rücktritt vom Erbvertrag noch den Vertrag kündigen, der über die Gegenleistung geschlossen wurde (im Beispiel der Dienstvertrag über die Pflege). Das sollte in den Erklärungen deutlich werden. Beim Auseinanderhalten dieser Verträge hilft Ihnen ein erfahrener Rechtsanwalt für Erbrecht.

Alle genannten Rücktrittsrechte können sich sowohl auf den gesamten Vertrag als auch auf nur einzelne Anordnungen beziehen.

5. Den Erbvertrag per Anfechtung rückgängig machen

Die letzte Möglichkeit sich vom Erbvertrag zu lösen, ist die Anfechtung. Diese kommt nur beim Vorliegen eines Anfechtungsgrunds in Betracht. Dabei kann der gesamte Erbvertrag angefochten werden oder aber nur einzelne Regelungen des Erbvertrags.

Ein Anfechtungsrecht besteht, wenn der Erblasser

  • sich über bestimmte Tatsachen oder seine Erklärung geirrt hat

Beispiele:

  • A und B führen seit vielen Jahren eine Partnerschaft. Sie vereinbaren wörtlich, die „gesetzlichen Erben“ der B als Erben einzusetzen. B glaubt, dass auch B dazugehöre. Sie kann den Erbvertrag anfechten. 
    • A glaubt, sich jederzeit vom Erbvertrag lösen zu können. Er irrt sich also über die Bindungswirkung. Laut den meisten Oberlandesgerichten kann er den Vertrag anfechten.
    • A schreibt aus Versehen, dass er X, der Freundin von B, 100.000 € statt der gewollten 10.000 € vermacht.
    • A setzt X als Erbin ein, weil er glaubt, bis zum Tod mit B zusammen zu sein. Einige Jahre nach dem Vertragsschluss trennt B sich von A. In vielen dieser Fälle kann A den Erbvertrag anfechten, weil er in der Zukunft fest mit anderen Umständen gerechnet hat.

  • bedroht wurde

Beispiel: Y, der Freund der X, verlangt von B, dass X als Erbin eingesetzt wird. Andernfalls werde er ihn verletzen. Der B kann den Erbvertrag anfechten.

  • einen Pflichtteilsberechtigten übergangen hat

Pflichtteilsberechtigt sind Abkömmlinge, Eltern und der Ehegatte des Erblassers. Weiß er von deren Existenz bei Abschluss des Erbvertrags nicht oder sind sie noch nicht pflichtteilsberechtigt, kann der Erblasser den Erbvertrag anfechten. Allerdings geht das nur, solange der Pflichtteilsberechtigte im Zeitpunkt der Anfechtung noch lebt und pflichtteilsberechtigt ist.

Beispiel: A schließt mit B einen Erbvertrag und setzt B als Alleinerbin ein. Später kommt sein Sohn zur Welt. Er kann den Erbvertrag anfechten.

Die größte Klippe beim Anfechtungsrecht ist der Beweis der Umstände. Es wird dem Erblasser zum Beispiel meist nicht einfach sein, seinen Irrtum zu beweisen. Es kommt entscheidend auf die Glaubwürdigkeit der vorgebrachten Beweismittel an. Häufig sind dies Zeugen, die mit dem Erblasser über dessen Vorstellungen bei Abschluss des Erbvertrags gesprochen haben. 

Der Erblasser kann den Erbvertrag nur anfechten, wenn er vorher nicht auf die Anfechtung verzichtet hat. Zum Beispiel wird im Erbvertrag mitunter vereinbart, dass der Erblasser generell auf die Anfechtung des Erbvertrages verzichtet.

Der Erblasser hat für die Anfechtung grundsätzlich ein Jahr Zeit. Die Frist beginnt

  • mit Kenntnis des Anfechtungsgrundes
  • oder im Fall der Drohung mit dem Ende der Zwangslage.

Übrigens können nach dem Tod des Erblassers in vielen Fällen auch diejenigen den Erbvertrag anfechten, die dadurch einen Vorteil hätten. Dies betrifft insbesondere gesetzliche Erben, die vom Erbvertrag ausgeschlossen werden.

Noch nicht abschließend geklärt ist, ob jemand vom Erblasser Schadensersatz verlangen kann, weil er auf die Geltung des Erbvertrags vertraut hat und wegen der Anfechtung nicht mehr begünstigt ist.

Die Anfechtungserklärung muss notariell beurkundet werden.

6. Fazit

Grundsätzlich gilt: Anordnungen über den Nachlass, die in einem Erbvertrag dem Vertragspartner zugesichert werden, können nicht einfach geändert werden.

Nur unter folgenden Umständen kann sich der Erblasser von einem Erbvertrag lösen:

  • Er einigt sich mit den Vertragsparteien auf die Aufhebung.
  • Ein neues Testament kann nur in wenigen Fällen die Wirkungen des Erbvertrags beseitigen. Möglich ist dies zum Beispiel Ehegatten.
  • Er kann zurücktreten, wenn der Erbvertrag ihm ausdrücklich dieses Recht gibt, der Bedachte sich falsch verhalten hat oder die Umstände sich erheblich geändert haben.
  • Der Erbvertrag kann angefochten werden, wenn sich der Erblasser geirrt hat oder er bedroht wurde. Auch wenn er zum Beispiel seine Kinder versehentlich nicht bedacht hat, ist die Anfechtung möglich.

Die meisten dieser Möglichkeiten erfordern, dass der Erblasser zum Notar geht.

7. Was wir für Sie tun können

  • Sollten Sie Ihren Erbvertrag oder Teile dessen widerrufen wollen, beraten wir Sie, ob und wie Sie dies am besten umsetzen.
  • Wichtig ist, dass im Anschluss eine eindeutige Regelung für Ihren Nachlass gefunden wird. Wir stellen Ihre neue Erbregelungen so auf, dass keine Missverständnisse entstehen.
  • Vererben steht in fast allen Fällen im Zusammenhang mit Steuern. Dank unserer steuerrechtlichen Partnerschaft können wir Sie auch auf diesem Feld optimal beraten.
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