Widerruf eines Testaments – Überblick, Möglichkeiten und Besonderheiten

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Wer Erbe wird, richtet sich entweder nach dem Gesetz oder den Bestimmungen, die der Verstorbene zu Lebzeiten getroffen hat. Dies kann er zum Beispiel durch ein Testament tun.

Was gilt aber, wenn der Verfasser im Nachhinein eine andere Erbfolge möchte, als er sie bereits in einem Testament bestimmt hat?

Genauso wie es mehrere Möglichkeiten gibt, ein Testament zu erstellen, so gibt es auch mehrere Möglichkeiten für den Widerruf eines Testaments. Mit dem Widerruf wird das Testament unwirksam. Im Grundsatz kann ein Testament jederzeit widerrufen werden. Welche Möglichkeiten des Widerrufs es genau gibt, wollen wir Ihnen im Folgenden vorstellen.

1. Widerrufstestament

Der einfachste Weg zum Widerruf eines Testaments ist wohl das Widerrufstestament. In diesem kann der Erblasser seinen letzten Willen ausdrücklich in einem neuen Testament widerrufen. Er formuliert dann beispielsweise: „Hiermit widerrufe ich mein Testament vom…“. Gem. §§ 2253, 2247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelten jedoch strenge Anforderungen. Das Widerrufstestament muss, genauso wie das ursprüngliche Testament, handschriftlich errichtet oder notariell beurkundet werden. Sonst ist es unwirksam. Handschriftlichkeit verlangt, dass das Dokument

  • nicht maschinell, sondern mit der Handschrift des Erblassers verfasst ist
  • und seine Unterschrift enthält (möglichst bestehend aus Vor- und Nachnamen).

Zudem sollte das Datum der Niederschrift auf dem Widerrufstestament angegeben sein. So wird deutlich, auf welches vorherige Testament sich der Widerruf bezieht.

Übrigens kann auf diese Weise auch ein öffentliches Testament widerrufen werden. Was das ist, erfahren Sie weiter unten.

Möglich sind sowohl der Widerruf einzelner Verfügungen als auch des gesamten Testaments. Aber Vorsicht: Insbesondere der Widerruf einzelner Verfügungen bereitet häufig Schwierigkeiten bei der Auslegung des verbleibenden Testaments. Widerruft der Erblasser zum Beispiel die Einsetzung eines Erben, fragt sich, wem dessen Anteil zufallen soll. Zwar stellt das Gesetz für einige Fälle Vermutungsregeln auf. Diese entsprechen aber nicht zwangsläufig dem Willen des Erblassers. Hier sollte er also eindeutig formulieren.

Das Risiko dieser Möglichkeit besteht außerdem darin, dass das Widerrufstestament nach dem Tod unauffindbar sein könnte. Unter Umständen wird dann angenommen, der Erblasser habe an seinem ursprünglichen Testament festhalten wollen.

So einfach ein Widerrufstestament erstellt ist, so gering sind auch die Möglichkeiten des Erblassers, die nunmehr gewünschte Erbfolge zu gestalten. Das Widerrufstestament bietet sich nur an, wenn nun die gesetzliche Erbfolge oder ein vorheriges Testament gelten soll.

2. Späteres widersprechendes Testament

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten bietet das widersprechende Testament. Es geht im Unterschied zum soeben behandelten Widerrufstestament auch auf die nunmehr gewünschte Erbfolge ein.

In diesem muss nicht ausdrücklich das erste Testament widerrufen werden (wie beim Widerrufstestament), sondern das neuere Testament verdrängt quasi automatisch aufgrund seines Inhalts das vorherige Testament.

Damit auch nach dem Tod des Erblassers festgestellt werden kann, welches Testament eigentlich das Aktuellste ist, empfiehlt es sich auch hier, jedes Testament mit einer Orts- und Zeitangabe zu versehen.

Aufgehoben werden allerdings nur die Bestimmungen, die im Widerspruch zu den früheren stehen (§ 2258 BGB). Möglich sind auch hier der Widerruf einzelner Verfügungen sowie des gesamten Testaments.

Beispiel:

E verfasst 2008 ein Testament, in dem er seinen Oldtimer seiner Tochter T und sein Haus seinem Sohn S vererbt. 2012 verfasst er ein neues Testament, in dem er ausschließlich eine Regelung über das Haus trifft. Dieses soll nun sein Freund F erben.

Das neuere Testament von 2012 steht nur in Bezug auf das Haus im Widerspruch zum Testament von 2008. Das Haus fällt also dem S zu (Testament von 2012 widerruft das von 2008), der Oldtimer der T (Testament von 2008). (S wird in der Regel nicht gänzlich leer ausgehen, denn ihm steht als Sohn ein sog. Pflichtteilsanspruch zu. Er kann von den Erben daher eine Geldzahlung verlangen. Dies hat aber keinen direkten Bezug zum Widerruf.)

Außerdem ist zu beachten, dass bei Widerruf des zweiten Testaments (2012) im Zweifel wieder das erste Testament gilt (2008). Der Erblasser sollte daher immer den Überblick behalten und zweifelsfrei klarstellen, welche Testamente weiter gültig sein sollen.

Auch bei dieser Variante des Widerrufs besteht das Risiko, dass das widerrufende Testament nach dem Tod nicht auffindbar ist und deshalb unberücksichtigt bleibt. Die Ausführungen zu den Auslegungsschwierigkeiten beim Widerruf einzelner Verfügungen gelten entsprechend (s.o.).

3. Widerruf durch Veränderung oder Vernichtung

Der Widerruf eines Testaments kann auch durch die Veränderung oder Vernichtung einer Testamentsurkunde (§ 2255 BGB) geschehen. Beispiele sind etwa das Zerreißen oder Durchschneiden des Testaments.

Es genügt aber auch, den Text durchzustreichen oder „ungültig“ auf die Urkunde zu schreiben. Wichtig ist dabei, dass der Text „ungültig“ o.ä. sich eindeutig auf alle Passagen des Testaments bezieht, die widerrufen werden sollen. Wird der Vermerk etwa oben neben der Überschrift angebracht, wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass das gesamte Dokument widerrufen werden soll. Ein Vermerk allein auf dem Umschlag genügt hingegen grundsätzlich nicht.

Auf die beschriebene Weise lassen sich sowohl das ganze Testament als auch einzelne Verfügungen widerrufen.

Wichtig ist, dass die Aufhebungsabsicht des Erblassers deutlich wird. Es muss erkennbar sein, dass das Testament nicht etwa aus Versehen beschädigt wurde. Steht fest, dass der Erblasser selbst die o.g. Widerrufshandlungen vorgenommen hat, wird seine Vernichtungsabsicht gesetzlich vermutet.

Zwar müssen die genannten Veränderungs- oder Vernichtungshandlungen grundsätzlich nicht mit einer Unterschrift versehen werden. Gerade in Bezug auf den Widerruf einzelner Verfügungen in einem Testament ist dies jedoch ratsam. Der Widerruf einer (einzelnen) Verfügung kann nämlich unter Umständen als neue Verfügung zugunsten eines anderen angesehen werden. Damit diese auch wirksam ist, ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich (§ 2247 BGB).

Die Risiken dieser Möglichkeit: Wird deutlich, auf welchen Teil des Testaments der Widerruf bezogen ist, wird er nach dem Tod des Erblassers regelmäßig Berücksichtigung finden. Es besteht hier nicht die Gefahr, dass allein der Widerruf abhanden käme (anders s. oben). Allerdings bereitet die Auslegung des verbleibenden Testaments häufig Schwierigkeiten, sollte der Erblasser nur einzelne Verfügungen widerrufen (s.o.).
Vom Widerruf durch bloßes Zusammenstauchen des Papiers o.ä. sollte der Erblasser absehen. Es wird nach seinem Tod schwer zu beweisen sein, ob er diese Handlung tatsächlich selbst vornahm. Dies ist bei einem handschriftlichen Vermerk leichter möglich.
In jedem Fall verbleiben die typischen Risiken eines eigenhändigen (also persönlich handschriftlichen) Testaments: das gesamte Testament könnte abhandenkommen und Fälschungen sind nicht auszuschließen.

4. Widerruf durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung

Statt eines eigenhändigen Testaments kann der Erblasser auch ein öffentliches Testament erstellen. Dazu hat er einen Notar aufzusuchen, dem er seinen letzten Willen mündlich oder schriftlich erklärt. Der Notar veranlasst anschließend die Verwahrung des Dokuments beim Amtsgericht. Vorteil des öffentlichen Testaments ist dessen Fälschungssicherheit.

Möchte der Erblasser das öffentliche Testament widerrufen, kann er gemäß den o.g. Varianten unter 1. und 2. verfahren.

Ihm steht jedoch noch eine weitere Möglichkeit zur Verfügung: Die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB). Laut Gesetz kann der Erblasser die Rücknahme jederzeit verlangen. Dabei wird er zunächst ausdrücklich über die Folgen der Aushändigung belehrt. Anschließend wird ihm das Testament persönlich ausgehändigt. Damit gilt das gesamte Testament als widerrufen.

Davon zu unterscheiden ist die bloße Einsichtnahme des Dokuments bei Gericht. Der Erblasser kann also auch nach der Verwahrung den Inhalt einsehen, ohne den Widerruf zu bewirken.

Die Risiken dieser Möglichkeit sind vergleichsweise gering. Allerdings fallen für die Verwahrung und den Notar Gebühren an.

Sonderfall: Widerruf eines Ehegattentestaments

Komplexer ist der Widerruf bei sog. Ehegattentestamenten. Diese enthalten nämlich regelmäßig wechselbezügliche Verfügungen mit Bindungswirkung. Klassisches Beispiel ist die gegenseitige Einsetzung des anderen zum Alleinerben. In diesem Fall ist es natürlich nicht sachgerecht, wenn einer der Ehegatten das Testament heimlich zu Lebzeiten ändern könnte. Schließlich verlassen sich die Partner darauf, dass die gemeinsam vereinbarte Bindung von Bestand ist.

Unproblematisch ist es natürlich, wenn sich beide Ehegatten vom Testament lösen wollen. In diesem Fall können sie gemeinsam den Widerruf erklären oder eine Rückgabe des Testaments an beide gemeinschaftlich verlangen. Ähnlich unkompliziert sind Ehegattentestamente, wenn sie stellenweise einseitige Verfügungen enthalten. Diese sind natürlich frei widerrufbar, da sie den anderen Ehepartner nicht betreffen.

Beispiel für einseitige Verfügung: Der Ehemann bestimmt einen guten Freund als Vermächtnisnehmer der Briefmarkensammlung. Im Übrigen setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tod der Ehefrau kann der Ehegatte das Vermächtnis zugunsten des Freundes frei widerrufen.

Schwieriger ist es, wenn sich nur einer der Ehegatten lösen will. In diesem Fall muss die Erklärung immer notariell beurkundet werden und dem anderen Ehepartner muss eine Ausfertigung zugehen. Dadurch erlangt er Kenntnis von den Plänen des anderen Ehegatten und kann auch seine Verfügungen anpassen.

Noch komplizierter wird der Widerruf, wenn bereits einer der Ehepartner gestorben ist. In diesem Fall ist das gemeinschaftliche Testament grundsätzlich nicht mehr widerrufbar, da der verstorbene Ehegatte schützenswert ist. Der überlebende Ehepartner kann dann nur noch in den folgenden Fällen über seinen Nachlass verfügen:

  • er schlägt das Erbe aus, das ihm mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten zufiel
  • der Ehegatte hat zu Lebzeiten z.B. eine schwere Straftat gegenüber dem Erblasser begangen oder kam böswillig seinen Unterhaltspflichten nicht nach; weitere Umstände nennt § 2333 BGB; in diesen Fällen kann der Erblasser auch nach dem Tod seines Partners frei über sein eigenes Vermögen verfügen

Hier erfahren Sie, wie das Erbrecht des Ehegatten ausgestaltet ist, wenn kein Testament erstellt wird o.ä.

6. Unmöglichkeit des Widerrufs

Fehlt dem Erblasser inzwischen die Testierfähigkeit, so kann er keinen wirksamen Testamentswiderruf mehr vornehmen. Das Gesetz geht hiervon aus bei „krankhafter Störung der Geistestätigkeit, (…) Geistesschwäche oder (…) Bewusstseinsstörung“.

Darunter fällt zum Beispiel eine fortgeschrittene Demenz. Es kommt jedoch auf das Stadium der Erkrankung an. Maßgeblich ist, ob der Erblasser sich ein klares Urteil über die Tragweite seiner Anordnungen für die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedachten bilden kann. Er muss zudem in der Lage sein, den Inhalt seines Testaments frei zu bestimmen und auszudrücken.

Dass der Erblasser bei Errichtung des Widerrufs testierunfähig war, hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Unwirksamkeit des Widerrufs beruft. Gelingt ihm dies nicht, ist grundsätzlich von der Testierfähigkeit auszugehen.

7. Fazit

Wurde ein Testament errichtet, so gibt es mehrere Möglichkeiten, es später zu widerrufen. Der Erblasser kann

  • ein Widerrufstestament erstellen,
  • ein späteres widersprechendes Testament erstellen,
  • das erste Testament verändern bzw. vernichten
  • oder im Falle eines notariellen Testaments die Rückgabe verlangen.

Wichtig ist aber, dass der Erblasser nach wie vor testierfähig ist. Dies ist z.B. zweifelhaft bei starker Demenz.

Besonderheiten gelten, wenn es sich bei dem Testament um ein Ehegattentestament mit wechselseitig bindenden Verfügungen handelt. Um keinen der Partner zu gefährden, ist dann nur ein gemeinschaftlicher Widerruf möglich. Stirbt einer der Ehegatten, kann der überlebende Ehegatte seine Verfügungen nur noch sehr eingeschränkt widerrufen.

8. Was wir für Sie tun können

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