Kündigung bei Insolvenz: Abfindung – Frist – Freistellung

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Befindet sich der Arbeitgeber im Insolvenzverfahren, kommt es oft zu Kündigungen. Wir erklären Ihnen, welche Rechte Sie nach einer Kündigung in der Insolvenz haben. 

  1. Endet das Arbeitsverhältnis im Insolvenzverfahren automatisch? 
  2. Gibt es ein Sonderkündigungsrecht im Insolvenzverfahren?
  3. Diese Kündigungsfrist gilt in der Insolvenz 
  4. Kündigung bei Insolvenzverfahren: Abfindung 
  5. Kann der Insolvenzverwalter eine Abfindung zurückfordern?
  6. Freistellung bei Kündigung durch den Insolvenzverwalter
  7. Schutzschirmverfahren und Kündigung 
  8. Fazit

1. Endet das Arbeitsverhältnis im Insolvenzverfahren automatisch? 

Grundsätzlich bleiben Arbeitsverhältnisse von einer Insolvenz unberührt. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens arbeiten Sie zunächst einmal weiter für Ihren Arbeitgeber. 

Im Insolvenzverfahren tritt allerdings grundsätzlich der Insolvenzverwalter an die Stelle des Arbeitgebers und entscheidet deshalb auch über Kündigungen. Hingegen bleibt der Arbeitgeber zuständig, wenn er das Unternehmen in Eigenverwaltung weiterführt.

2. Gibt es ein Sonderkündigungsrecht im Insolvenzverfahren? 

Zur Beendigung Ihres Arbeitsvertrages muss der Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter zunächst eine Kündigung aussprechen. Allerdings gelten hier nahezu dieselben Voraussetzungen wie außerhalb der Insolvenz. Das Unternehmen muss insbesondere also einen Kündigungsgrund vorweisen. 

Ein umfassendes Sonderkündigungsrecht im Insolvenzverfahren gibt es daher nicht; weder für das Unternehmen noch für die Mitarbeiter.

Im Rahmen eines Insolvenzverfahrens liegt oft ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vor. Allein der Hinweis auf die Insolvenz genügt allerdings nicht. Der Arbeitgeber bzw. Verwalter muss vor Gericht genau darlegen können, warum er die Stelle dauerhaft nicht mehr benötigt. Da bei weitem nicht jede Insolvenz zur vollständigen Betriebsschließung führt, ist dies nicht immer einfach. Selbst in einer Insolvenz lohnt sich deshalb eine genaue Prüfung der Kündigung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.  

Ein „kleines“ Sonderkündigungsrecht besteht im Insolvenzverfahren aber doch: Gemäß § 113 InsO darf das Unternehmen dann auch Arbeitsverträge ordentlich kündigen, für die eine ordentliche Kündigung sonst ausgeschlossen wäre.

BeispieleDer Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber darf im Insolvenzverfahren auch einen befristeten Arbeitsvertrag ordentlich kündigen. Außerhalb der Insolvenz ist dies grundsätzlich nicht möglich. Dasselbe gilt, wenn der Tarifvertrag die ordentliche Kündigung ausschließt. Im Insolvenzverfahren kann auch solchen Mitarbeitern ordentlich gekündigt werden.

Der Sonderkündigungsschutz für Schwangere, Betriebsratsmitglieder, Auszubildende etc. bleibt hingegen bestehen. Steht das Unternehmen vor der Stilllegung, müssen aber auch diese Gruppen mit einer Entlassung rechnen.

Wichtig: Wenn Sie sich gegen die Kündigung im Insolvenzverfahren wehren möchten, haben Sie ab Zugang des Kündigungsschreibens nur drei Wochen Zeit! Erheben Sie während dieser Frist keine Kündigungsschutzklage, ist Ihre Stelle endgültig verloren.

3. Diese Kündigungsfrist gilt in der Insolvenz 

Gerade wenn die finanziellen Mittel knapp werden, sind zeitnahe Kündigungsmöglichkeiten wertvoll. Dafür sieht die Insolvenzordnung ebenfalls in § 113 InsO eine Sonderregelung vor. 

Wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist und die weiteren Kündigungsvoraussetzungen vorliegen, können ordentliche Kündigungen mit einer dreimonatigen Frist ausgesprochen werden.

Dabei handelt es sich um eine Maximalfrist. Wenn die reguläre Kündigungsfrist außerhalb der Insolvenz ohnehin weniger als diese drei Monate betragen würde, bleibt es bei dieser kürzeren Frist.

Beispiele: 

  • Für Arbeitnehmer A gilt die gesetzliche Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 2 BGB. Er ist bereits 2,5 Jahre für das Unternehmen tätig. Er kann daher mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende entlassen werden. Diese Frist gilt auch, wenn über den Arbeitgeber das Insolvenzverfahren eröffnet ist.
  • Auf das Arbeitsverhältnis von B ist ein Tarifvertrag anwendbar, der eine Kündigungsfrist von vier Monaten zum Monatsende vorsieht. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens darf der Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter allerdings mit einer kürzeren Frist von drei Monaten kündigen.

Möchten Arbeitnehmer selbst kündigen, gilt die reguläre Kündigungsfrist. In der Insolvenz bestehen keine Besonderheiten. Maßgeblich ist in erster Linie die Kündigungsfrist aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag. Ist dort nichts geregelt, beträgt die Frist vier Wochen zum 15. oder zum Monatsende.

4. Kündigung bei Insolvenzverfahren: Abfindung 

Wie bei den meisten anderen Kündigungen ist auch in der Insolvenz ein Anspruch auf Abfindung nicht gesetzlich vorgesehen. Trotzdem erhalten viele Arbeitnehmer im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine Abfindung. 

Beachten Sie aber: Die Abfindung im Insolvenzverfahren stammt oft aus einem Sozialplan und ist auf maximal 2,5 Bruttomonatsgehälter beschränkt.

Besteht ein Abfindungsanspruch, so ist die Einordnung als Insolvenzforderung oder Masseforderung entscheidend: 

  • Sie sind in einer besseren Position, wenn der Anspruch als Masseforderung zählt, da dann eine vorrangige Auszahlung zu erwarten ist, die in den meisten Fällen auch ungekürzt ausfällt. 
  • Anders ist es bei Insolvenzforderungen, die Sie zur Insolvenztabelle anmelden müssen. Ist der Betrag noch nicht ausgezahlt, können Sie nur mit einer Quote (sog. Insolvenzquote) von meist weniger als 10% rechnen.  

Eine noch nicht ausgezahlte Abfindung ist eine Masseforderung, wenn 

  • der Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter Ihnen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigt und Ihnen eine Abfindung verspricht (z.B. aus einem Sozialplan, der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde). 
  • Sie nach Insolvenzeröffnung einen Aufhebungsvertrag unterschreiben, der eine Abfindung vorsieht. 
  • der Arbeitgeber Ihnen gekündigt hat und Sie bereits Kündigungsschutzklage erhoben haben, bevor das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Sofern sich der Prozess bis ins Insolvenzverfahren zieht, wird eine Abfindung, die sich aus einer Einigung vor Gericht ergibt, als Masseforderung eingeordnet (sog. Vergleich). 
  • die Abfindung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter oder Arbeitgeber in Eigenverwaltung zugesichert wurde. Voraussetzung ist, dass diese Person ausdrücklich zur Begründung von Masseverbindlichkeiten befugt war. Ob dies der Fall ist, entnehmen Sie bzw. Ihr Fachanwalt für Arbeitsrecht den Unterlagen beim Amtsgericht. 

Eine noch nicht ausgezahlte Abfindung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart wurde, ist im Regelfall eine Insolvenzforderung. Dasselbe gilt, wenn Ihnen ein Arbeitsvertrag, ein Tarifvertrag oder ein Sozialplan aus der Zeit vor dem Insolvenzverfahren eine Abfindung zuspricht. Diese Abfindung ist auch dann nur eine Insolvenzforderung, wenn der Arbeitgeber bzw. Insolvenzverwalter Ihnen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigt.

5. Kann der Insolvenzverwalter eine Abfindung zurückfordern?

Der Insolvenzverwalter kann eine Abfindung unter Umständen zurückfordern, wenn sie kurz vor der Eröffnung des Insolvenzerfahrens ausgezahlt wurde. Die Rede ist von der sog. Insolvenzanfechtung. Das Risiko ist besonders groß, wenn 

  • Sie die Abfindung erst nach dem Insolvenzantrag des Unternehmens erhalten haben
  • oder die Abfindung in den letzten drei Monaten vor Insolvenzeröffnung erhalten haben und von der Zahlungsunfähigkeit wussten.

6. Freistellung bei Kündigung durch den Insolvenzverwalter

Im Insolvenzverfahren steht regelmäßig die Frage im Raum, ob das Unternehmen seine Mitarbeiter während der Kündigungsfrist von der Arbeit freistellen darf. Hier geht es in aller Regel um eine bezahlte Freistellung. Sie erscheinen also nicht mehr zur Arbeit, werden aber weiterbezahlt. 

Sie dürfen grundsätzlich verlangen, beschäftigt zu werden. Das steht einer einseitigen Freistellung entgegen. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen, etwa wenn

Ob daneben ein insolvenzspezifisches Freistellungsrecht des Insolvenzverwalters existiert, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt. Teilweise wird dies jedoch angenommen, insbesondere wenn das verbleibende Vermögen nicht einmal genügt, um die Kosten des Insolvenzverfahrens zu begleichen (sog. „Masseunzulänglichkeit“). 

In diesem Fall können Sie als Arbeitnehmer ein Interesse an einer Freistellung haben, weil Ihnen ab Beginn einer unwiderruflichen Freistellung grundsätzlich Arbeitslosengeld zusteht. Kann das Unternehmen Sie wegen der Masseunzulänglichkeit nicht mehr bezahlen, erhalten Sie zumindest ALG I. 

Stets möglich ist eine Freistellung, wenn Sie zustimmen. Entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag sind allerdings oft unwirksam. 

7. Schutzschirmverfahren und Kündigung 

In der Übergangszeit zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung durch das Amtsgericht findet das vorläufige Insolvenzverfahren statt. Hier gilt uneingeschränkt der gewöhnliche Kündigungsschutz. 

Falls vom Unternehmen jedoch ein entsprechender Antrag gestellt und dieser vom Insolvenzgericht genehmigt wurde, kann in der Zeitspanne zwischen Insolvenzantrag und Insolvenzeröffnung eine besondere Form des vorläufigen Insolvenzverfahrens stattfinden: Das Schutzschirmverfahren.

Während dieses Verfahrens darf der Arbeitgeber das Unternehmen selbst fortführen. Ein Sachwalter beaufsichtigt ihn. Die Phase dient vor allem der Ausarbeitung eines Insolvenzplans, der die Sanierung des Unternehmens erleichtern soll. 

Kündigungen in dieser Phase spricht der Arbeitgeber aus. Besonderheiten bestehen, wenn Ihre gewöhnliche Kündigungsfrist weit über drei Monate beträgt. Wird nach Ausspruch der Kündigung das Insolvenzverfahren eröffnet und verbleiben von Ihrer Kündigungsfrist in diesem Zeitpunkt noch mehr als drei Monate, kann das Unternehmen Ihnen erneut kündigen. Die Frist beträgt dann maximal drei Monate zum Monatsende. 

Um eine erfolgreiche Unternehmenssanierung zu ermöglichen, gibt es während des Schutzschirmverfahrens keine Gläubigerbefriedigung oder Zwangsvollstreckung. Steht Ihnen eine Abfindung zu und zahlt der Arbeitgeber diese nicht aus, können Sie den Betrag während des Schutzschirmverfahrens nicht zwangsweise durchsetzen. 

Ist Ihr Unternehmen in der Krise, sollten Sie daher unbedingt auf eine rasche Auszahlung der Abfindung drängen. Einen Aufhebungsvertrag können Sie z.B. unter die Bedingung der sofortigen Zahlung stellen.

8. Fazit

  • Wenn das Insolvenzverfahren über das Unternehmen eröffnet wird, laufen die Arbeitsverhältnisse zunächst weiter. 
  • Ein echtes Sonderkündigungsrecht haben das Unternehmen und der Arbeitnehmer in der Insolvenz nicht. Auch im Insolvenzverfahren ist ein Kündigungsgrund nötig. 
  • Allerdings kann der Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber auch dann ordentlich kündigen, wenn das ordentliche Kündigungsrecht außerhalb der Insolvenz ausgeschlossen wäre. 
  • Die Kündigungsfrist in der Insolvenz beträgt max. drei Monate. 
  • Eine Abfindung, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart wurde, kommt in der Regel voll zur Auszahlung. Stand Ihnen bereits bei Eröffnung des Verfahrens ein unbeglichener Anspruch zu, erhalten Sie davon wahrscheinlich nur einen Bruchteil. 
  • Der Insolvenzverwalter darf Sie nur unter engen Voraussetzungen von der Arbeit freistellen. Anders ist es, wenn Sie zustimmen. 
  • Während eines Schutzschirmverfahrens gilt der gewöhnliche Kündigungsschutz.
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