Ein Arbeitnehmer, der gegen seinen Arbeitgeber eine Strafanzeige ohne haltbare Grundlage stellt, verletzt schuldhaft seine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist daher grundsätzlich gerechtfertigt.
So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.
Lehrbeauftragte stellt Strafanzeige gegen Arbeitgeber
Die Klägerin war seit 2003 Lehrbeauftragte bei der Trägerin des Fachbereichs für Sozialversicherungen der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Im März 2012 wurde eine Evaluierung ihres Unterrichts aufgrund der erlassenen Evaluierungsordnung durchgeführt und die Ergebnisse an andere Mitarbeiter weitergegeben. Die Lehrbeauftragte hielt die Evaluierung für rechtswidrig, da nach ihrer Auffassung ein Evaluierungsbeauftragter nicht ordnungsgemäß bestellt wurde. Daher stellte sie einen Strafantrag gegen „Unbekannt“ wegen einer Straftat nach § 42 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG, damals § 44). Dieser Tatbestand bestraft unter anderem das unbefugte Erheben und Verarbeiten personenbezogener Daten. Als der Arbeitgeber der Lehrbeauftragten davon erfuhr, wurde ihr 2014 ordnungsgemäß gekündigt.
Bundesarbeitsgericht: Wirksame Kündigung
Die Klage der Lehrbeauftragten gegen die Kündigung hatte weder vor dem Arbeitsgericht noch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Auch das Bundesarbeitsgericht wies sie ab.
Zwar dürfe ein Arbeitnehmer grundsätzlich Strafanzeige gegen seinen Arbeitgeber stellen, soweit keine falschen Angaben erfolgen. Werde jedoch Strafanzeige gestellt, obwohl die Vorwürfe erkennbar haltlos seien, sei eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen grundsätzlich möglich. Denn zu den Pflichten des Arbeitnehmers zähle auch, auf die Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen (§ 241 Abs. 2 BGB). Verletze der Arbeitnehmer diese Pflicht erheblich und schuldhaft, sodass die Fortführung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zumutbar ist, könne ihm ordnungsgemäß gekündigt werden.
Im vorliegenden Fall habe die Arbeitnehmerin schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflicht verletzt, indem sie Strafanzeige stellte. Es habe an jeglicher Grundlage für einen Strafantrag gefehlt, da der Arbeitgeber offensichtlich keine Schädigungs- bzw. Bereicherungsabsicht gehabt habe, die für den Straftatbestand des § 44 Abs. 1 BDSG erforderlich sei. Die Anzeige sei daher unangemessen gewesen. Diese Pflichtverletzung sei der Arbeitnehmerin auch vorwerfbar, da sie die offensichtlich erkennbaren Umstände nicht überprüft habe. Sie hätte sich zunächst um eine innerbetriebliche Klärung bemühen können, was sie jedoch unterlassen habe.
Darüber hinaus habe der fristgemäßen Kündigung nicht entgegengestanden, dass der Arbeitgeber der Klägerin zuvor keine Abmahnung ausgesprochen habe. Eine Abmahnung sei nämlich bei besonders gravierenden Pflichtverstößen entbehrlich. Einen solchen Fall nahmen die Richter des Bundesarbeitsgerichts hier an, insbesondere aufgrund des Nachdrucks, mit dem die Klägerin die Strafverfolgung voranzutreiben versuchte. Selbst nach Einstellung der Strafsache durch die Staatsanwaltschaft habe sie noch Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft eingereicht, um strafrechtliche Ermittlungen doch noch in Gang zu setzen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2016, Az.: 2 AZR 42/16