Ausbleibende Kunden und die Unterbrechung der Berufstätigkeit schmälern den Verdienst. Viele Selbstständige fürchten daher wegen des Coronavirus um ihre Existenz.
Ob und unter welchen Voraussetzungen Selbstständige vom Staat entschädigt werden, erläutern wir in diesem Beitrag.
- Kann mir die Tätigkeit verboten und Quarantäne angeordnet werden?
- Erhalten Selbständige wegen Corona eine Entschädigung?
- Wo kann ich die Entschädigung beantragen?
- Wie hoch ist die Entschädigung für Selbständige?
- Werden Betriebsausgaben bezahlt?
- Werden Mehraufwendungen erstattet?
- Wer entschädigt mich bei einem „Shutdown“ wegen Corona?
- Erhalten Selbständige Entschädigung wegen Kinderbetreuung?
- Was passiert, wenn meine Arbeitnehmer in Quarantäne müssen?
- Kann ich einen Vorschuss bekommen?
- Fazit
- Was wir für Sie tun können
1. Kann mir die Tätigkeit verboten und Quarantäne angeordnet werden?
Kurz und knapp: Ja, beide Maßnahmen können durch die Behörde angeordnet werden.
Einschlägig ist in diesem Fall das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Dieses räumt den Behörden im Falle von übertragbaren Krankheiten wie dem Coronavirus weitreichende Befugnisse ein. Hierbei kann Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ausscheidern und Ansteckungsverdächtigen auch die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagt (§ 31 IfSG) und eine Quarantäne („Absonderung“) angeordnet werden (§§ 28ff. IfSG).
Die Behörde legt hierbei folgende Definitionen zugrunde:
- „Kranker“ ist nur, wer wirklich mit dem Coronavirus infiziert und krank ist.
- „Krankheitsverdächtig“ ist bereits, wer Symptome dieser Krankheit zeigt.
- Ein „Ausscheider“ ist jeder, der zwar selbst nicht krank ist, den Virus aber weiterverbreitet.
- Als „Ansteckungsverdächtiger“ zählt jeder, der zwar nicht krank ist und auch nicht krank scheint, der sich aber wahrscheinlich infiziert hat. Dies könnte beispielsweise bei einer Coronainfektion im engeren Umfeld der Fall sein.
Zuständig für die Anordnung des Tätigkeitsverbots und der Quarantäne ist grundsätzlich das örtliche Gesundheitsamt.
2. Erhalten Selbständige wegen Corona eine Entschädigung?
Wer aufgrund des Tätigkeitsverbots einen Verdienstausfall erleidet, wird gemäß § 56 I IfSG entschädigt. Dasselbe gilt für Personen in Quarantäne.
Allerdings erhalten nur folgende Personengruppen eine Entschädigung:
- Bei Tätigkeitsverbot: Ausscheider, Ansteckungsverdächtige, Krankheitsverdächtige
- Bei Quarantäne: Ansteckungsverdächtige, Ausscheider (letztere nur, wenn sie keine anderen Schutzmaßnahmen befolgen können; keine Entschädigung also z.B., wenn die Quarantäne angeordnet wurde, weil der Betroffene sich an zuvor aufgestellte Regeln nicht gehalten hat)
In diesem Fall kommen die gewöhnlichen Versicherungsleistungen bei Krankheit in Betracht.
Darüber hinaus kann eine Entschädigung nur dann beantragt werden, wenn das Gesundheitsamt die Anordnung getroffen hat.
Beispiel: Selbstständiger A sitzt im Ausland fest und hat sich wahrscheinlich mit dem Coronavirus infiziert. Die ausländische Behörde ordnet daher Quarantäne im Hotel an. Kann A eine Entschädigung nach § 56 IfSG beanspruchen?
Nein, A könnte nur dann eine Entschädigung beanspruchen, wenn das deutsche Gesundheitsamt die Quarantäne angeordnet hätte.
Davon wohl ebenfalls nicht erfasst ist die Quarantäne, in die sich der Betroffene lediglich auf Empfehlung der Behörde oder des Robert-Koch-Instituts begibt.
3. Wo kann ich die Entschädigung beantragen?
Innerhalb von drei Monaten nach Ende des Tätigkeitsverbots oder der Absonderung muss der Selbständige den Antrag beim zuständigen Landschaftsverband stellen.
In Köln ist dies der Landschaftsverband Rheinland. Dieser stellt ein Antragsformular bereit.
Daneben gibt es in NRW noch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe, der für den östlichen Teil des Landes zuständig ist.
Selbstständige müssen dem Antrag eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Höhe des letzten Arbeitseinkommens beifügen. Ist das nicht möglich, darf die Behörde andere Nachweise verlangen.
4. Wie hoch ist die Entschädigung für Selbständige?
Die Entschädigung nach § 56 I IfSG bemisst sich grundsätzlich nach dem Verdienstausfall, der durch das behördliche Verbot oder die Quarantäne entstanden ist.
Das relevante Einkommen lässt sich wie folgt ermitteln:
- Es geht um den Betrag, der sich im Einkommenssteuerbescheid aus der Summe der Einnahmen aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbständiger Tätigkeit ergibt. Betriebsausgaben sind also abzuziehen (wie im Einkommenssteuerbescheid schon der Fall).
- Freibeträge und Sonderausgaben sind dem o.g. Betrag hingegen hinzuzurechnen.
Das Ergebnis mag sich für viele Selbststände erst einmal gut anhören, jedoch wird diese Höhe nur für sechs Wochen gewährt.
Dies gilt jedoch nur, soweit nicht die gesetzliche Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Sie beträgt 4.687,50 € im Monat bzw. 56.250 € im Jahr.
Auch kann die Entschädigung gekürzt werden, wenn der Selbstständige seinen Verdienstausfall durch Ausübung einer anderen Tätigkeit hätte mindern können (§ 56 VIII IfSG). Der Selbstständige darf daher auch in der Quarantäne nicht auf der faulen Haut liegen, sondern muss sein Möglichstes tun, um den Verdienstausfall so gering wie möglich zu halten.
5. Werden Betriebsausgaben bezahlt?
Die Entschädigung des Verdienstausfalls umfasst nur den Gewinn des Selbstständigen. Daneben muss dieser jedoch oftmals auch in der Quarantäne die laufenden Betriebskosten tragen. Beispielsweise muss Miete weitergezahlt werden, egal ob der Selbstständige arbeiten kann oder nicht.
Selbstständige, deren Tätigkeit während des Verdienstausfalls ruht, können neben einer Entschädigung auch einen Ausgleich für weiterlaufende nicht gedeckte Betriebskosten erhalten (§ 56 IV 2 IfSG). Diese werden in „angemessenem Umfang“ erstattet. Wie hoch die Erstattung ist, wird daher im Einzelfall festgelegt. Noch gibt es hier keine belastbaren Größen. Dieser Anspruch besteht grundsätzlich neben der Entschädigung für Verdienstausfall.
6. Werden Mehraufwendungen erstattet?
Die Zeit in der Quarantäne oder das Tätigkeitsverbot mag zu Kosten führen, die sonst nicht entstanden wären.
Mehraufwendungen dieser Art werden grundsätzlich nicht erstattet.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn ohne die Erstattung die Existenz des Selbstständigen gefährdet wäre (§ 56 IV 1 IfSG).
Aber Vorsicht: Während auf die Entschädigung des Verdienstausfalls und die Erstattung der Betriebsausgaben ein Anspruch besteht, steht der Ausgleich von Mehraufwendungen im Ermessen der Behörde. Diese wird daher im Einzelfall beurteilen, ob sie Mehraufwendungen ausgleichen möchte. Da eine Versagung oftmals das Ende der Selbstständigkeit bedeuten kann, sollte hier gegebenenfalls ein Anwalt hinzugezogen werden. Das gilt umso mehr mit Blick darauf, dass sich im Laufe der Coronakrise eine Verwaltungspraxis herausbilden wird. An die einmal angesetzten Maßstäbe ist die Behörde dann grundsätzlich gebunden.
7. Wer entschädigt mich bei einem „Shutdown“ wegen Corona?
Die Entschädigung nach § 56 IfSG wird nur gewährt, wenn dem Selbstständigen die Tätigkeit untersagt oder er in Quarantäne geschickt wird. Er muss zudem zu einer der unter 2. genannten Personengruppen fallen.
Selbständige haben daher im Zuge eines „Shutdowns“ (allgemeine Ausgangssperre etc.) keine guten Aussichten. Die Behörde entschädigt nämlich keine Umsatzeinbußen, die wegen ausgebliebener Kunden oder abgesagter Veranstaltungen entstehen. Dasselbe gilt, wenn einzelne Betriebe oder Branchen ihre Geschäfte schließen müssen.
Notleidende Selbstständige sollten sich stattdessen über aktuell beschlossene Hilfsprogramme von Bund und Ländern informieren. Dazu zählen vonseiten des Bundes zurzeit:
- Kurzarbeitergeld
- Steuerstundungen und Verzicht auf entsprechende Säumniszuschläge und Vollstreckungen
- Liquiditätshilfen durch z.B. KfW-Kredite
In Bayern wird liquiditätsschwachen Unternehmen zudem bereits Soforthilfe mit staatlichen Direktzahlungen gewährt. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch in NRW nun schnell eingeführt und ebenso schnell umgesetzt wird.
8. Erhalten Selbständige Entschädigung wegen Kinderbetreuung?
Sind selbständige Eltern minderjähriger Kinder von einer Quarantäne, Kita- oder Schulschließungen betroffen, wird die Betreuung problematisch.
Erleiden Selbstständige infolgedessen einen Verdienstausfall, besteht kein Anspruch auf Entschädigung.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn gegen die Eltern gleichzeitig eine Quarantäne oder ein Tätigkeitsverbot ausgesprochen wird. In diesem Fall bleibt es bei der Entschädigung nach § 56 IfSG.
9. Was passiert, wenn meine Arbeitnehmer in Quarantäne müssen?
Oftmals ist nicht der Selbstständige, sondern sind seine Arbeitnehmer von der Quarantäne betroffen. Auch diese haben dann grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG. Sie wird ihnen zunächst für sechs Wochen vom Arbeitgeber gezahlt. Er zahlt ihnen also schlicht den Lohn fort. Die ausgezahlten Beträge kann der Arbeitgeber anschließend von der Behörde erstattet verlangen (§ 56 V IfSG). Dafür ist gegenüber dem Landschaftsverband Rheinland dieses Antragsformular zu verwenden.
Erleidet der Selbstständige jedoch aufgrund des Arbeitsausfalls Verdiensteinbußen, werden diese nicht erstattet. Das gilt auch, wenn gegenüber den Arbeitnehmern Quarantäne angeordnet wird und der Betrieb geschlossen werden muss.
10. Kann ich einen Vorschuss bekommen?
Oftmals sind die Verdienstausfälle gravierend. Der Selbstständige benötigt die Entschädigung somit so schnell wie möglich. Die zuständigen Behörden sind jedoch voraussichtlich mit einer großen Anzahl an Anträgen beschäftigt.
Der Selbstständige kann daher einen Vorschuss beantragen. Dieser richtet sich nach der voraussichtlichen Höhe der Entschädigung beziehungsweise der Erstattung für den Arbeitnehmerlohn.
11. Fazit
- Das Gesundheitsamt kann Selbstständigen ihre Tätigkeit verbieten und sie in Quarantäne schicken, wenn sie erkrankt sind oder der Verdacht einer Erkrankung oder Ansteckung besteht.
- Erleiden Selbständige infolgedessen Verdienstausfall und sind nicht krank, können sie entschädigt werden (§ 56 IfSG).
- In den ersten sechs Wochen richtet sich die Entschädigung nach dem Gewinn des Vorjahres. Im Anschluss werden 70% dessen geleistet.
- Ruht währenddessen die Tätigkeit, werden auch laufende Betriebskosten erstattet.
- Sonstige Mehraufwendungen werden nur bei Existenzbedrohung ausgeglichen.
- In anderen Fällen, wie einem „Shutdown“, Kinderbetreuung, Erkrankung der Arbeitnehmer oder freiwilliger Schließung wird keine Entschädigung geleistet.
- Der Antrag auf Entschädigung muss innerhalb von drei Monaten nach Untersagung der Tätigkeit oder Ende der Quarantäne beantragt werden.
- Ein Vorschuss ist möglich.
12. Was wir für Sie tun können
- Wir beraten Sie ausführlich, welche Entschädigungsleistungen für Sie in Betracht kommen.
- Sollten Sie keinen Anspruch aus dem Infektionsschutzgesetz haben, besprechen wir andere (staatliche) Hilfen mit Ihnen. Das betrifft z.B. auch das Kurzarbeitergeld.
- Sollte Ihnen nur ein geringer Entschädigungsbetrag zugesprochen werden, setzen wir uns für die Erhöhung ein.
- Wir beraten Sie in sämtlichen Angelegenheiten des Wirtschaftsrechts. Dazu zählen insbesondere auch das Handels-, Gesellschafts- und Arbeitsrecht.