Beschäftigt eine GmbH Arbeitnehmer, muss sie Sozialabgaben abführen. Geschieht dies nicht, so muss der Geschäftsführer die Abgaben unter bestimmten Voraussetzungen aus seinem privaten Vermögen zahlen.
Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für Sozialabgaben.
- Was sind Sozialabgaben?
- Wann haftet der Geschäftsführer persönlich für Sozialabgaben?
- Haftet der Geschäftsführer, wenn andere Mitarbeiter zuständig sind?
- Wann verjährt der Anspruch?
- Macht sich der Geschäftsführer strafbar?
- Fazit
- Was wir für Sie tun können
1. Was sind Sozialabgaben?
Sozialabgaben, auch Sozialversicherungsbeiträge, finanzieren den sozialen Versicherungsschutz eines Arbeitnehmers. Sie sind von Arbeitnehmer und Arbeitgeber an die Sozialversicherungen zu zahlen.
Die Sozialversicherungen setzen sich wie folgt zusammen:
- Krankenversicherung
- Rentenversicherung
- Pflegeversicherung
- Arbeitslosenversicherung
- Unfallversicherung
Arbeitnehmer und Arbeitgeber tragen jeweils einen Anteil an den Sozialabgaben („Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil“). Dieser beträgt regelmäßig jeweils 50 Prozent der Abgabe. Nur die Beiträge zur Unfallversicherung werden vollständig vom Arbeitgeber getragen.
Beispiel: Der Beitragssatz der Krankenversicherung zum Bruttolohn beträgt 14,6 %. Verdient der Arbeitnehmer 2000 € brutto, müsste er daher 292 € an die Krankenversicherung abführen.
Dieser Betrag wird jedoch zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen. Der Arbeitnehmer muss daher nur 146 € von seinem Bruttolohn zahlen. Der Arbeitgeber bezahlt die restlichen 146€ selbst.
Der Arbeitgeber zahlt aber nicht nur seinen Anteil an den Sozialabgaben, sondern ist auch verpflichtet, den Anteil des Arbeitnehmers für diesen abzuführen. Der Arbeitnehmer erhält daher nur seinen Nettolohn ausbezahlt.
2. Wann haftet der Geschäftsführer persönlich für Sozialabgaben?
Grundsätzlich ist nur die GmbH zur Zahlung von Sozialabgaben verpflichtet. Gemäß § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB kann unter bestimmten Voraussetzungen allerdings auch deren Geschäftsführer haften. Er steht dann uneingeschränkt und mit seinem Privatvermögen für die Sozialabgaben gerade.
Er haftet aber auch nur in diesem Fall! Im Übrigen verbleibt es dabei, dass nur die GmbH die Sozialbeiträge zahlen muss.
Der Sozialversicherungsträger kann die Abgaben auch bei Haftung des Geschäftsführers weiterhin von der GmbH selbst verlangen. Die Haftung des Geschäftsführers steht dann neben der der GmbH.
Es wird unterschieden zwischen dem Zurückbehalten von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteilen.
Bei Vorenthaltung der Arbeitnehmeranteile ist der Geschäftsführer bereits dann haftbar, wenn diese nicht bei Fälligkeit abgeführt werden. Die Fälligkeit tritt regelmäßig am drittletzten Bankarbeitstag des Monats ein. Spätestens an diesem Tag müssen die Arbeitnehmeranteile des Sozialversicherungsbeitrags abgeführt worden sein.
Achtung: Dies gilt selbst dann, wenn der Lohn noch nicht an den Arbeitnehmer ausgezahlt wurde!
Keine persönliche Haftung besteht jedoch, wenn die GmbH nicht zahlungsfähig war. Die Abführung von Sozialbeiträgen hat aber grundsätzlich höchste Priorität und muss vor der Begleichung anderer Forderungen geschehen. Die Zahlung gerade der Sozialbeiträge muss daher vollkommen unmöglich gewesen sein. In diesem Fall ist der Geschäftsführer nicht haftbar, es sei denn, er hat die Zahlungsunfähigkeit pflichtwidrig herbeigeführt, z.B. durch Unterschlagung von Geldern.
Bei Vorenthaltung des Arbeitgeberanteils haftet der Geschäftsführer hingegen nur unter folgenden Voraussetzungen persönlich:
- Der Geschäftsführer hat unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber dem Sozialversicherungsträger gemacht (z.B. einen niedrigeren Lohn angegeben);
- oder er hat den Sozialversicherungsträger über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen (z.B. einen Mitarbeiter erst gar nicht angemeldet);
- und durch eine dieser Handlungen wurde der Sozialversicherung der Arbeitgeberanteil vorenthalten.
Während das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen daher sehr schnell zur persönlichen Haftung führt, gilt dies bei Arbeitgeberanteilen nur, wenn der Sozialversicherungsträger getäuscht wird.
In jedem Fall, egal ob bezogen auf Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberanteil, muss der Geschäftsführer vorsätzlich handeln. Bloße Nachlässigkeit führt nicht zur persönlichen Haftung. Das schützt Geschäftsführer in den meisten Fällen vor der persönlichen Haftung.
Beispiel: Der GmbH-Geschäftsführer A bemerkt erst ein paar Tage nach Fälligkeit der Sozialbeiträge, dass die Arbeitnehmeranteile noch nicht abgeführt wurden und überweist sie zwar sofort, jedoch zu spät.
A haftet nicht persönlich. Er wollte die Beiträge nicht vorenthalten, sondern handelte nur unsorgfältig.
Aber Achtung: Auch ein eigentlich nur nachlässiges Verhalten erweckt schnell den Eindruck, dass es vorsätzlich geschah. Der Geschäftsführer kommt also schnell in Beweisprobleme, selbst wenn er nur fahrlässig gehandelt hat.
3. Haftet der Geschäftsführer, wenn andere Mitarbeiter zuständig sind?
Der Geschäftsführer kann der Haftung selbst dann nicht vollständig entgehen, wenn er die Zuständigkeit für die Abführung der Sozialbeiträge auf einen anderen Geschäftsführer oder Mitarbeiter delegiert. Denn der Geschäftsführer ist für alle Angelegenheiten der GmbH zuständig („Allzuständigkeit“) und muss zumindest bei konkreten Anhaltspunkten weiterhin überwachen, ob die Beiträge wirklich abgeführt werden.
Beispielfall vor dem OLG Düsseldorf: A war einer von mehreren Geschäftsführern der X-GmbH. Er war für die Bereiche Vertrieb, Entwicklung und Produktion zuständig. Die Abführung der Sozialabgaben fiel in den Verantwortungsbereich des Geschäftsführers B. Die GmbH befand sich in den Jahren 2011/2012 in einer wirtschaftlichen Notsituation. B versprach dem A auf dessen Nachfrage, dass die Sozialabgaben korrekt an den Sozialversicherungsträger überwiesen würden. Dies war nicht der Fall. Der Sozialversicherungsträger nahm daher A auf Zahlung der ausstehenden Beträge in Anspruch. A widersprach dem, da er nicht für die Sozialabgaben zuständig gewesen sei.
Das OLG bejahte eine Haftung des A. Zwar habe B den A belogen, jedoch habe A um die schwere wirtschaftliche Situation der GmbH gewusst. Auch wenn er nicht für die Sozialabgaben zuständig gewesen sei, hätte er sich selbst von der Zahlung der Abgaben überzeugen müssen. A habe daher seine Überwachungspflicht verletzt und hafte daher gegenüber dem Sozialversicherungsträger. (Az.: I-21 U 38/14)
4. Wann verjährt der Anspruch?
Der Anspruch des Sozialversicherungsträger gegen den Geschäftsführer kann verjähren. Die Haftung des Geschäftsführers muss innerhalb von drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres geltend gemacht werden, in welchem der Sozialversicherungsträger Kenntnis von der Beitragspflichtverletzung erlangt.
Beispiel: Geschäftsführer A führt im Juni 2012 Sozialbeiträge nicht ab, sondern leitet sie auf sein eigenes Konto weiter. Im April 2013 erlangt der zuständige Sozialversicherungsträger Kenntnis.
Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres (31.12.2013) zu laufen und beträgt 3 Jahre. Der Anspruch verjährt daher am 31.12.2016.
Aber Achtung: Zivilrechtliche und strafrechtliche Verjährung sind getrennt zu berechnen. Auch wenn der zivilrechtliche Anspruch verjährt ist, kann der Geschäftsführer weiterhin strafrechtlich belangt werden!
5. Macht sich der Geschäftsführer strafbar?
Die Abführung von Sozialbeiträgen ist für das deutsche Sozialversicherungssystem unerlässlich. Aus diesem Grund macht der Arbeitgeber sich strafbar gemäß § 266a StGB, wenn Sozialbeiträge nicht abgeführt werden. Da die GmbH als juristische Person nicht selbst bestraft werden kann, haftet stattdessen ihr vertretungsberechtigtes Organ. Dies ist der Geschäftsführer.
Die Voraussetzungen ergeben sich aus § 266a StGB (s.o.).
Haftet der Geschäftsführer persönlich, macht er sich in aller Regel also auch strafbar.
Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen kann mit bis zu fünf Jahren Haft oder Geldstrafe bestraft werden.
In besonders schweren Fällen ist die Strafe sogar Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt beispielsweise beim eigennützigen Vorenthalten großer Beträge oder der Verwendung unrichtiger oder gefälschter Belege vor.
Die Straftat des Geschäftsführers kann jedoch verjähren. Hierfür gelten folgende Fristen:
- Normalfall: Fünf Jahre;
- In einem besonders schweren Fall: Zehn Jahre.
Die Verjährungsfrist beginnt aber erst zu laufen, wenn die Tat beendet ist. Die Gerichte nehmen eine Beendigung des Vorenthaltens von Sozialabgaben erst in folgenden Fällen an:
- Die Beitragspflicht ist erloschen (z.B. durch Zahlung oder Insolvenz der GmbH);
- Die Beitragspflicht ist verjährt;
- Der Geschäftsführer ist aus seiner Position ausgeschieden.
Oft ist die Tat daher erst mit Verjährung der Beitragspflicht beendet. Die Beitragspflicht verjährt aber nach 30 Jahren.
Verjährung kann daher auch erst nach sehr langer Zeit eintreten.
6. Fazit
- Eine GmbH muss für ihre Arbeitnehmer Sozialversicherungsbeiträge abführen. Hierfür ist der Geschäftsführer als Organ der GmbH verantwortlich.
- Der GmbH-Geschäftsführer haftet gegenüber dem Sozialversicherungsträger ggf. zivilrechtlich mit seinem eigenen Vermögen für die fehlenden Beiträge und macht sich dann häufig auch strafbar.
- Für das Vorenthalten von Arbeitnehmeranteilen ist er schon persönlich haftbar und macht sich strafbar, wenn die Beträge bei Fälligkeit vorsätzlich nicht überwiesen sind. Bei den Arbeitgeberanteilen muss eine Täuschung gegenüber dem Versicherungsträger hinzukommen.
- Sowohl die Straftat als auch der zivilrechtliche Anspruch können verjähren. Die Verjährung muss jedoch getrennt betrachtet werden.
7. Was wir für Sie tun können
Wir vertreten regelmäßig Führungskräfte und beraten sie umfassend in Haftungsfragen. Vertrauen Sie auf unsere Erfahrung im Wirtschaftsrecht!
- Sollten Ansprüche gegen Sie geltend gemacht werden, setzen wir uns zunächst außergerichtlich mit den Sozialversicherungsträgern auseinander.
- Selbstverständlich vertreten wir Sie, falls das nötig wird, auch vor Gericht.
- Wir erläutern Ihnen außerdem, welche Chancen bestehen, die Zahlungen von Ihrer Gesellschaft oder einer D&O Versicherung zurückzuerhalten.
- Es bietet sich an, einige Vorkehrungen zu treffen, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Wir beraten Sie gerne und umfassend vorbeugend zu diesem Thema.