Wer enterbt wurde, kriegt nichts? Das stimmt so nicht ganz. Unter bestimmten Voraussetzungen kann trotz Enterbung ein Teil vom Nachlass eingefordert werden – und zwar den gesetzlich vorgesehenen Pflichtteil. Die wichtigsten Fragen zum Pflichtteil erklären wir in diesem Beitrag:
- Was ist der Pflichtteil?
- Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
- Wie wird die Höhe des Pflichtteils für Kinder berechnet?
- Wie hoch ist der Pflichtteil für Eheleute und eingetragene Lebenspartner?
a. Zugewinngemeinschaft
b. Gütertrennung - Wie hoch ist der Pflichtteil beim Berliner Testament?
- Was ist der Pflichtteilergänzungsanspruch?
- Wie kann man den Pflichtteil einfordern?
- Fazit
- Was wir für Sie tun können
1. Was ist der Pflichtteil?
Im Grundsatz gilt: Wer etwas zu vererben hat, kann selbst entscheiden, wem das Erbe zufällt. Der Erblasser (die verstorbene Person) kann durch Testament oder Erbvertrag frei bestimmen, wer am Nachlass beteiligt wird. Er kann also auch entscheiden, dass eine Person vom Erbe ausgeschlossen wird und nichts erhält.
Eine Enterbung kann ausdrücklich im Testament stehen, muss sie aber nicht. Es genügt, wenn der Erblasser eine oder mehrere andere Personen zu den ausschließlichen Erben erklärt.
Die erste Voraussetzung für einen Pflichtteilsanspruch ist, dass die Person zu den gesetzlichen Erben gehört. Die gesetzliche Erbfolge gilt für den Fall, dass der Erblasser kein Testament o.ä. hinterlassen hat. Danach werden die Verwandten des Erblassers in mehrere sogenannten Ordnungen eingeteilt: Wenn Verwandte erster Ordnung vorhanden sind, haben diese Vorrang vor den anderen Ordnungen. Ansonsten geht die zweite der dritten Ordnung vor. Innerhalb der Ordnungen gehen die jeweiligen Eltern ihren Kindern vor. Neben diesen Verwandten erbt auch der Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers. Aber nicht alle gesetzlichen Erben haben im Falle einer Enterbung auch Anspruch auf den Pflichtteil. Das Gesetz sieht den Pflichtteil nur für bestimmte enge Verwandte vor, und zwar: Das heißt: Auch wenn jemand nach der gesetzlichen Erbfolge geerbt hätte, steht ihm bei Enterbung nicht zwingend ein Pflichtteil zu. Der Pflichtteil beträgt immer die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. In einem ersten Schritt ist also herauszufinden, ob der Person ein gesetzlicher Erbteil zusteht und wie hoch dieser ist. Das hängt zunächst von der Rangfolge zwischen und innerhalb der Ordnungen ab (s.o.). Hierzu folgendes Beispiel: Erblasser E ist Witwer und hinterlässt seinen vier Kindern insgesamt 100.000 €. In seinem Testament legt er fest, dass Kind A Alleinerbe sein soll. Kinder B, C und D sind folglich enterbt. Zur Berechnung des Pflichtteils dieser drei Kinder müssen Sie wie folgt vorgehen: Nach der gesetzlichen Erbfolge hätte jedem Kind 1/4 des Erbes zugestanden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte davon, also 1/8 für B, C und D. Ihnen stehen somit jeweils 12.500 € zu. Etwas komplizierter wird es, wenn der Erblasser verheiratet war oder einen eingetragenen Lebenspartner hatte. Im ersten Schritt muss wieder der gesetzliche Erbteil des Ehegatten oder Lebenspartner bestimmt werden. Dieser wird dann wie gehabt halbiert. Um den gesetzlichen Erbteil zu berechnen, ist zunächst wichtig, ob und welche Verwandte der Erblasser hinterlässt. Außerdem ist für den Erbteil entscheidend, in welcher rechtlichen Beziehung die Ehe- oder Lebenspartner zueinander standen. Wenn die Ehe- oder Lebenspartner nichts anderes vereinbart haben, dann besteht zwischen ihnen die sogenannte Zugewinngemeinschaft. Wird der überlebende Ehe- oder Lebenspartner Erbe oder erhält er ein Vermächtnis, bekommt er grundsätzlich zum gesetzlichen Erbteil einen pauschalierten Zugewinnausgleich in Höhe von einem weiteren Viertel des Erbes. Dabei handelt es sich um die „normale“ gesetzliche Erbfolge. Nun näher zum Pflichtteil: Wenn der überlebende Ehe- oder Lebenspartner enterbt wurde oder das Erbe ausschlägt und auch kein Vermächtnis erhält, steht ihm der sogenannte kleine Pflichtteil zu. Wenn es einen kleinen Pflichtteil gibt, muss es logischerweise auch eine großen geben. Dieser wird relevant, wenn der Ehe- oder Lebenspartner laut Testament oder Erbvertrag zwar nicht enterbt wird, er aber weniger als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhält. Wenn der Ehe- oder Lebenspartner Erbe wird oder ein Vermächtnis erhält, kann er sich trotzdem für den kleinenPflichtteil entscheiden, indem er das Erbe ausschlägt. Der kleine Pflichtteil ist nicht immer geringer. Die Bezeichnung „klein“ folgt nur daraus, dass vor der Halbierung kein pauschalierter Zugewinnausgleich eingerechnet wird. Weil aber der hinzugerechnete Zugewinnausgleich je nach Vermögensentwicklung sehr hoch sein kann, kann der kleine Pflichtteil durchaus höher als der große Pflichtteil ausfallen. Wenn die Eheleute Gütertrennung vereinbart haben, hat der überlebende Partner keinen Anspruch auf konkreten oder pauschalierten Zugewinnausgleich. Dann bleibt es bei der Hälfte der gesetzlichen Erbquote. Oft setzen sich Ehe- oder Lebenspartner gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass die Kinder erst nach dem Tod des zweiten Partners erben sollen. Damit fällt das Vermögen des zuerst verstorbenen Partners zunächst an den überlebenden Partner und erst nach dessen Tod an die Kinder. Diese Konstruktion wird Berliner Testament genannt. Dadurch soll gesichert werden, dass der überlebende Partner gut versorgt ist und zum Beispiel nicht das Wohnhaus bei der Aufteilung des Erbes verkaufen muss. Grundsätzlich gelten beim Berliner Testament für den Pflichtteil die oben erklärten Regeln. Die Kinder sind im Verhältnis zum zuerst verstorbenen Partner enterbt (das gilt zumindest in der gebräuchlichen sog. Einheitslösung). Das bedeutet: Wenn der erste Ehe- oder Lebenspartner verstorben ist, können die Kinder vom überlebenden Partner ihren Pflichtteil einfordern. Das kann auch durch das Berliner Testament nicht verhindert werden. Weil dadurch aber der überlebende Partner in finanzielle Not geraten kann, sehen viele Berliner Testamente eine sogenannte Strafklausel vor. Wenn danach ein Kind beim Tod des ersten Partners seinen Pflichtteil verlangt, ist es von der Erbfolge des zweiten Partners ausgeschlossen. Dann kann es auch beim zweiten Erbfall nur seinen Pflichtteil verlangen. Ein schlauer Erblasser mag auf die Idee kommen, kurz vor seinem Tod sein Vermögen zu verschenken. So hätte er schließlich nichts mehr zu vererben und die Pflichtteilsberechtigten gingen leer aus. Diese Rechnung geht allerdings nicht auf. Gemäß § 2325 BGB ist dem Pflichtteil hinzuzurechnen, was der Erbe vor seinem Tod verschenkt hat. Reicht das verbleibende Vermögen des Erblassers nicht aus, um den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch zu erfüllen, kann der Pflichtteilsberechtigte grundsätzlich sogar Zahlung vom Beschenkten verlangen. Ohne Wirkung auf den Pflichtteil bleiben allerdings Schenkungen, für die ein berechtigter Anlass bestand. Ob und in welchem Maße die Schenkung berücksichtigt wird, hängt auch von ihrem Zeitpunkt ab: Der Anspruch auf den Pflichtteil ist ein reiner Geldanspruch. Pflichtteilserben sind also keine Mitglieder der Erbengemeinschaft und können keine Entscheidungen über den Nachlass treffen. Beispiel: Sie entscheiden nicht mit, ob das vererbte Haus verkauft werden soll. Um die Höhe des Pflichtteils zu berechnen, müssen Pflichtteilsberechtigte den Umfang des Nachlasses kennen. Deshalb haben sie gegenüber den Erben einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe des Nachlasswerts. Auch dieser Anspruch kann gerichtlich durchgesetzt werden. Der Anspruch auf Auszahlung des Pflichtteils verjährt innerhalb von drei Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilserbe vom Tod des Erblassers und von der Enterbung erfahren hat. Wir sind auf das Erbrecht spezialisierte Anwälte. Gerne setzen wir unsere Expertise für Ihr Anliegen ein. 2. Wer hat Anspruch auf den Pflichtteil?
3. Wie wird die Höhe des Pflichtteils für Kinder berechnet?
4. Wie hoch ist der Pflichtteil für Eheleute und eingetragene Lebenspartner?
a. Zugewinngemeinschaft
b. Gütertrennung
5. Wie hoch ist der Pflichtteil beim Berliner Testament?
6. Was ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch?
7. Wie kann man den Pflichtteil einfordern?
8. Fazit
9. Was wir für Sie tun können