Abmahnung vom Arbeitgeber: Gründe – Frist – Voraussetzungen

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Verstoßen Sie gegen eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag, besteht die Gefahr einer Kündigung. Doch vorher muss Ihr Arbeitgeber meist eine Abmahnung aussprechen. Wir erklären Ihnen, was Sie zur Abmahnung wissen müssen. 

  1. Was ist eine Abmahnung? 
  2. Gründe und Ziele einer Abmahnung
  3. Die Abmahnung als Grundlage jeder Kündigung?
  4. Voraussetzungen für eine gültige Abmahnung
  5. Nach wie vielen Abmahnungen darf die Kündigung erfolgen? 
  6. Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung 
  7. Wie reagiert man sinnvoll auf eine Abmahnung?
  8. Fazit 
  9. Was wir für Sie tun können

1. Was ist eine Abmahnung?

Mit einer Abmahnung rügt Ihr Arbeitgeber eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Auch wenn eine Abmahnung im weiteren Verlauf Grundlage für eine Kündigung sein kann, hat sie zunächst keine konkrete Auswirkung auf das Arbeitsverhältnis. Erst einmal bleibt alles beim Alten. Die Abmahnung wird jedoch in Ihrer Personalakte vermerkt. 

2. Gründe und Ziele einer Abmahnung

Typische Gründe für eine Abmahnung sind: 

Die Abmahnung verfolgt im Wesentlichen drei Ziele:

  1. Hinweisfunktion: Die Abmahnung soll Sie auf Ihr Fehlverhalten konkret hinweisen. Sie müssen der Abmahnung deutlich ihren Grund entnehmen können. 
  2. Ermahnungsfunktion: Gleichzeitig dient die Abmahnung dazu, Sie zu ermahnen, sich künftig an die Regeln zu halten. 
  3. Warnfunktion: Aus der Abmahnung darf jedoch nicht nur eine Ermahnung hervorgehen, sondern Ihr Arbeitgeber muss konkrete Konsequenzen für den Wiederholungsfall nennen. Er wird insbesondere mit einer verhaltensbedingten Kündigung drohen. 

3. Die Abmahnung als Grundlage jeder Kündigung?

Die oben genannten Beispiele zeigen Verhaltensweisen, die Sie selbst steuern können. In diesen Fällen kommt eine fristgerechte verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Für diese Kündigung ist eine vorherige Abmahnung nötig, denn Sie können Ihr Verhalten ändern und sollen vor einer Kündigung die Chance dazu erhalten.

Das heißt: Ein erster Pflichtverstoß berechtigt den Arbeitgeber meist nicht zur Kündigung. Er darf nur abmahnen. Erst wenn Sie erneut Ihre Pflichten verletzen, droht Ihnen eine Kündigung.

Wichtig: Es gibt natürlich Ausnahmefälle, in denen eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne eine vorherige Abmahnung wirksam ist. Etwa, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass eine Abmahnung offenkundig nichts an Ihrem Verhalten ändern wird. Ihr Arbeitgeber darf Sie ebenso ohne Abmahnung kündigen, wenn Sie sich in der Probezeit befinden oder in einem Kleinbetrieb mit zehn oder weniger Mitarbeitenden arbeiten.

Bei einer betriebsbedingten Kündigung, die auf rein wirtschaftlichen Gründen beruht und Ihre Weiterbeschäftigung im Betrieb unmöglich macht, ist eine Abmahnung überflüssig. 

Dasselbe gilt in aller Regel bei personenbedingten Kündigungen. Häufigster Grund ist hier eine lang andauernde Krankheit. Eine solche Kündigung unterliegt zwar strengen Anforderungen, jedoch können Sie Ihre Krankheit nicht ändern. Eine Abmahnung würde also auch in diesem Fall ihren Zweck verfehlen. 

Im Gegensatz zu den ordentlichen Kündigungen kann Ihr Arbeitgeber Ihnen auch fristlos kündigen. Eine fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist grundsätzlich angreifbar. Da eine solche Kündigung nur bei äußerst schwerwiegenden Pflichtverletzungen in Frage kommt, ist die Abmahnung aber gelegentlich entbehrlich. 

4. Voraussetzungen für eine gültige Abmahnung

Eine Abmahnung muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen und ist daher fehleranfällig. Insbesondere wenn es später nach einer Kündigung zu einem Prozess kommt, kann das für Sie als Arbeitnehmer von Vorteil sein. 

Formale Anforderungen

Grundsätzlich gelten keine Formvorschriften. Eine Abmahnung kann sowohl schriftlich als auch mündlich erfolgen. Aus Beweisgründen wird Ihr Arbeitgeber aber in den meisten Fällen eine schriftliche Abmahnung erteilen. 

Um der Hinweis- und Warnfunktion gerecht zu werden, muss der Arbeitgeber Ihr Fehlverhalten präzise und deutlich benennen und mögliche Konsequenzen eindeutig formulieren. 

Beispiel: 

„Hiermit mahne ich Sie ab, da Sie mehrfach verspätet zur Arbeit erschienen sind. Falls Sie in Zukunft nicht pünktlich erscheinen, drohen Ihnen arbeitsrechtliche Konsequenzen.“

Diese Abmahnung ist nicht präzise genug. Es ist nicht klar, wann, wie oft und wie viel Sie zu spät gekommen sind. Zudem ist die Konsequenz nicht hinreichend konkretisiert. 

Eine präzise Formulierung könnte lauten: „Sowohl am 4.1.2023 als auch am 10.1.2023 sind Sie statt ­– wie geschuldet – um 8 Uhr erst um 9 Uhr erschienen. Sollten Sie künftig nicht pünktlich erscheinen, werde ich eine verhaltensbedingte ordentliche Kündigung aussprechen.“

Zur Abmahnung berechtigt ist grundsätzlich jeder, der Ihnen gegenüber weisungsbefugt ist. Im öffentlichen Dienst ist eine vorherige Anhörung des Arbeitnehmers notwendig. 

Inhaltliche Anforderungen

Die Abmahnung muss sich auf einen Verstoß gegen eine arbeitsvertraglich geregelte Pflicht beziehen. Oft lohnt sich eine Prüfung, ob die angeblich verletzte Pflicht überhaupt wirksam vereinbart ist. 

Beispiel: Ihr Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass Sie an einem weit entfernten Ort arbeiten, wenn in Ihrem Arbeitsvertrag allein Ihr Standort als Arbeitsort vereinbart ist. Weigern Sie sich, am anderen Standort zu erscheinen, dürfen Sie nicht abgemahnt werden (vorher sollten Sie sich allerdings anwaltlich beraten lassen, weil Ihnen Konsequenzen drohen, wenn der Arbeitgeber doch im Recht ist!).

Ebenso muss die Abmahnung verhältnismäßig sein. Ein einmaliges Zuspätkommen von wenigen Minuten darf nicht zu einer Abmahnung führen. Häuft sich jedoch dieses Verhalten, kann es in der Zusammenschau eine Abmahnung zur Folge haben. 

Zudem trägt Ihr Arbeitgeber die Beweislast für den Inhalt der Abmahnung. Er muss also vor Gericht darlegen und beweisen, dass Sie tatsächlich gegen Ihre Pflichten verstoßen haben.

Beispiel: Er muss ggf. Zeugen benennen, die mitbekommen haben, dass Sie Ihren Kollegen beleidigt haben sollen.

14-Tage-Frist?

In welchem Zeitraum die Abmahnung ausgesprochen werden muss, ist nicht einheitlich festgelegt. Bleibt Ihr Arbeitgeber jedoch unverhältnismäßig lange untätig, nachdem er von dem Vorwurf erfahren hat, können Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Abmahnung bestehen. 

Oft wird eine Frist von maximal zwei Wochen genannt. Das trifft so pauschal nicht zu. Wartet der Arbeitgeber allerdings mehr als 14 Tage mit der Abmahnung ab, lohnt sich eine anwaltliche Prüfung. 

In bestimmten Fällen ist das Recht zur Abmahnung sogar verwirkt. Sie haben dann ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Ihr Arbeitgeber keine Abmahnung mehr aussprechen wird. Die Abmahnung darf nicht als unendliches Druckmittel dienen. 

Zugang 

Die Abmahnung muss Ihnen persönlich zugegangen sein. 

Bei einer mündlichen Abmahnung erfolgt dies im Moment des Gesprächs. Ein Hinweis auf eine in Ihrer Personalakte vermerkte Abmahnung genügt nicht. 

Eine schriftliche Abmahnung geht Ihnen bereits zu, wenn das Schreiben in Ihrem Briefkasten, Ihrem Postfach oder auf Ihrem Schreibtisch liegt und unter gewöhnlichen Umständen damit zu rechnen ist, dass Sie es wahrnehmen. Ob Sie es tatsächlich lesen, spielt keine Rolle.

Beispiel: Ihnen wird eine Abmahnung nach Hause geschickt. Unter gewöhnlichen Umständen ist das Schreiben spätestens am nächsten Tag zugegangen. Das gilt auch, wenn Sie zu der Zeit im Urlaub sind.

Abmahnungen werden vom Arbeitgeber regelmäßig mittels Einwurf-Einschreiben verschickt. Der Arbeitgeber will so sicherstellen, dass er den Zugang des Schreibens vor Gericht besser beweisen kann. Wenn er nämlich den Ein- und Auslieferungsbeleg vorlegt, ist der Zugang so gut wie sicher bewiesen. 

Auch der Zugang der Abmahnung per E-Mail ist möglich. Allerdings muss der Arbeitgeber ggf. vollumfänglich beweisen, dass die Mail tatsächlich zugegangen ist. Die Methode ist daher weniger verlässlich für den Arbeitgeber. 

5. Nach wie vielen Abmahnungen darf die Kündigung erfolgen? 

Hier gibt es keine einheitliche Regel. Als Faustformel gilt: Je leichter die Vertragsverletzung, desto mehr Abmahnungen sind erforderlich. 

Bei bloßem Zuspätkommen sind daher mehr Abmahnungen notwendig als nach der Beleidigung eines Kollegen.

Die verbreitete Auffassung, dass stets drei Abmahnungen vor einer Kündigung nötig seien, ist falsch. Je nach Einzelfall ist gar keine (s.o.), sind weniger als drei oder sogar mehr als drei Abmahnungen nötig. 

6. Zusammenhang zwischen Abmahnung und Kündigung

Die Abmahnung hat gegenüber unliebsamen Mitarbeitern oft den Zweck, eine Kündigung vorzubereiten. Dafür müssen Abmahnung und Kündigung aber irgendwie im Bezug zueinander stehen: 

Wichtig ist der zeitliche und inhaltliche Zusammenhang. Je schwerer die Pflichtverletzung ist, desto länger hat die Abmahnung Bedeutung. Bei geringfügigen Pflichtverstößen (sporadische Unpünktlichkeit, Arbeitsanweisung außer Acht gelassen) kann als grobe Richtlinie eine Zeitspanne von zwei bis drei Jahren angesetzt werden. 

Beispiel: Der Arbeitgeber kündigt Ihnen, weil Sie sich nicht an die Datenschutzvorgaben gehalten haben. Er begründet die Entlassung damit, dass Sie wegen eines ähnlichen Verstoßes schon einmal vor sieben Jahren abgemahnt worden seien. In der Zwischenzeit kam es zu keinerlei Beanstandungen. 

Die längst vergangene Abmahnung hat für den Arbeitgeber vor Gericht kaum Wert. Er hätte Sie zunächst erneut abmahnen müssen. Sie werden die Klage wahrscheinlich gewinnen.

Die verhaltensbedingte Kündigung muss außerdem inhaltlich an das Fehlverhalten anknüpfen, das bereits in den Abmahnungen genannt war. Zumindest muss die Pflichtverletzung gleichgelagert sein.

Beispiel: Eine Abmahnung wegen Arbeitsverweigerung kann eine Kündigung wegen mehrfacher Unpünktlichkeit begünstigen. Schlechtleistungen haben jedoch nichts mit dem Mobbing von Kollegen zu tun.

7. Wie reagiert man sinnvoll auf eine Abmahnung?

Nach dem Erhalt einer Abmahnung sollten Ihre nächsten Schritte gut überlegt und nicht vorschnell sein. Denn wenn Ihre Abmahnung formale Fehler aufweist und Sie Ihren Arbeitgeber auf diese hinweisen, hat er die Möglichkeit einer Korrektur. Kommt der Fehler jedoch erst im Kündigungsschutzprozess zur Sprache, haben Sie gute Chancen, den Prozess zu gewinnen. 

Bevor Sie eines der unten dargestellten Mittel wählen, sollten Sie deshalb einen Fachanwalt für Arbeitsrecht um Rat bitten.

Gegendarstellung

Eine häufig sinnvolle Reaktion ist eine Gegendarstellung. Damit können Sie den Sachverhalt aus Ihrer Perspektive schildern und der Darstellung Ihres Arbeitgebers in der Abmahnung widersprechen. Die Gegendarstellung ist an keine besondere Form gebunden und kann im späteren Kündigungsprozess ebenso zur Klärung der Sachlage eingesetzt werden. Am besten setzen Sie – möglichst zeitnah – ein mit „Gegendarstellung“ überschriebenes Dokument auf, in dem deutlich wird, dass Sie der Abmahnung widersprechen.  

Der Arbeitgeber muss Ihre Gegendarstellung in die Personalakte aufnehmen – auch dann, wenn er die Tatsachen oder Wertungen für unzutreffend hält. 

Betriebsrat 

Gibt es in Ihrer Firma einen Betriebsrat, können Sie diesen einschalten und sich beschweren. Der Betriebsrat kann zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber vermitteln und eventuelle Missverständnisse auf einer sachlichen Ebene klären.

Klage auf Entfernung aus der Personalakte

Die Klage sollte gut überlegt sein. Denn insbesondere, wenn die Pflichtverletzung eindeutig ist, stehen Ihre Chancen im Prozess schlecht. Da das Ziel zunächst zudem nur das Entfernen der Abmahnung aus der Personalakte ist, kann man auch bis zum eigentlichen Kündigungsschutzprozess abwarten (zu dem es natürlich nur kommt, wenn Sie erneut gegen Ihre Pflichten verstoßen). Eine vorherige Klage erscheint fast nur dann sinnvoll, wenn die Abmahnung eine anstehende Beförderung ansonsten verhindern würde. 

Wenn die Abmahnung zurecht erteilt wurde, können Sie die Entfernung nur ausnahmsweise verlangen. Das ist der Fall, wenn das abgemahnte Verhalten für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht bedeutungslos geworden ist. Das wird anzunehmen sein, wenn der Arbeitnehmer mittlerweile auf einer ganz anderen Position tätig ist und seit der Abmahnung viele Jahre vergangen sind (siehe dazu das Urteil des BAG vom 19.7.2012, 2 AZR 782/11).

Achtung: Möglicherweise möchte Ihr Arbeitgeber, dass Sie die Abmahnung unterschreiben. Doch hier ist Vorsicht geboten, denn mit einer Unterschrift bestätigen Sie möglicherweise das geschilderte Fehlverhalten und erleichtern Ihrem Arbeitgeber den Weg zur Kündigung. Dieser trägt nämlich ansonsten die Beweislast. Das ist ebenso der Fall, wenn Sie mit Ihrer Unterschrift den Zugang der Abmahnung bestätigen sollen. 

In manchen Fällen kann eine Verweigerung der Unterschrift aber auch die Stimmung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber weiter verschlechtern. Lassen Sie sich anwaltlich beraten.

8. Fazit 

  • Eine Abmahnung ist eine formale Rüge, die sich auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung bezieht. 
  • Die Abmahnung ist meist Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung.
  • Ihr Arbeitgeber muss das Fehlverhalten und die mögliche Konsequenz erneuter Verstöße in der Abmahnung konkret darlegen. 
  • Wie viele Abmahnungen nötig sind, hängt von der Art der Pflichtverletzung ab. In besonders schwerwiegenden Fällen kann Ihr Arbeitgeber Ihnen auch ohne vorherige Abmahnung kündigen.
  • Der Grund für die Kündigung und der Grund für die vorherige Abmahnung müssen gleich oder zumindest gleichgelagert sein.
  • Überlegen Sie sich Ihre Reaktion auf die Abmahnung gut. Vermeiden Sie, Ihren Arbeitgeber auf Fehler hinzuweisen oder ihm die Beweisführung zu erleichtern.

Was wir für Sie tun können

Unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Björn Petermann berät regelmäßig zu Abmahnungen und Kündigungen. Gerne stehen wir Ihnen als Arbeitnehmer zur Seite, wenn Sie

  • eine Abmahnung erhalten haben und gegen diese vorgehen möchten.
  • Ihnen bereits eine Kündigung vorliegt und der Arbeitgeber sich zur Begründung auf eine oder mehrere Abmahnungen stützt.

Sie sollten in jedem Fall zügig handeln. Wir setzen unsere Expertise und jahrelange Erfahrung ein, um Ihre Rechte durchzusetzen.

Arbeitgeber beraten wir, wie Sie rechtssicher Abmahnungen aussprechen und Trennungen von Mitarbeitern wirtschaftlich gestalten.

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