Erreichen einer Altersgrenze als Kündigungsgrund – Vereinbarung kann in einem Dienstvertrag zulässig sein

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Im Grundsatz gilt: Ein Arbeitsverhältnis darf nicht aufgrund des Alters des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin gekündigt werden. Andernfalls liegt eine Altersdiskriminierung nahe. Dass es von diesem Grundsatz jedoch Ausnahmen geben kann, zeigt eine kürzlich ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm: Danach kann eine Vereinbarung, die das Erreichen einer festgelegten Altersgrenze als Kündigungsgrund des Dienstverhältnisses bestimmt, unter bestimmten Voraussetzungen wirksam sein.

Dienstvertrag: Nach Erreichen des 61. Lebensjahres darf gekündigt werden

Der Kläger war für die Beklagte, eine GmbH, als Vorsitzender der Geschäftsführung tätig. Die Tätigkeit erfolgte aufgrund eines bis August 2018 befristeten Dienstvertrags. In dem Dienstvertrag hieß es unter anderem wie folgt:

„§ 7 Vertragsdauer

(…)

  1. Unabhängig davon behalten sich beide Vertragsschließenden vor, mit Ihrem Eintritt in das 61. Lebensjahr das Dienstverhältnis durch eine einseitige Erklärung mit einer Frist von sechs Monaten zum Jahresende zu beenden. Eine solche Beendigung des Dienstverhältnisses gilt als Übergang in den Ruhestand und löst die Leistungen nach den Versorgungszusagen aus. Hinsichtlich der Höhe der Versorgungszusagen wird bei einer Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Gesellschaft unterstellt, das Dienstverhältnis hätte bei der regulären Laufzeit des Vertrages geendet.“

Nachdem der Kläger im August 2015 von der Gesellschafterversammlung als Geschäftsführer abberufen worden war, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis mit dem Kläger im Juni 2016 ordentlich zum Ende des Jahres 2016. Gegen diese Kündigung ging der Kläger gerichtlich vor. Er ging davon aus, dass § 7 Nr. 3 seines Dienstvertrages unwirksam sei, da er eine nach AGG unwirksame Altersdiskriminierung bedeute.

Anmerkung zum Hintergrundverständnis: Da der Kläger nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages beschäftigt worden war, waren die Arbeitsgerichte hier nicht zuständig. Die Klage war vor den sog. ordentlichen Gerichten (hier zunächst also vor dem Landgericht und dann in 2. Instanz vor dem Oberlandesgericht) zu erheben.

Die Unterscheidung zwischen Arbeits- und Dienstverhältnissen ist rechtlich oftmals kompliziert. Kurz gesagt übt der Arbeitnehmer eine unselbstständige, weisungsgebundene und sozial abhängige Tätigkeit aus, bei der er in fremde Organisationsstrukturen eingebunden ist; ein aufgrund eines Dienstvertrages Beschäftigter übt hingegen eine selbstständige Tätigkeit aus und kann seine Arbeitszeit und Tätigkeit im Wesentlichen frei bestimmen und gestalten.

OLG Hamm: Altersgrenze war – auch nach AGG – zulässig

Nach dem Landgericht wies auch das OLG die Klage ab; § 7 Nr. 3 des Dienstvertrages stelle eine zulässige Vereinbarung dar und die Kündigung sei damit wirksam gewesen.

Das OLG warf zunächst die Frage auf, ob das AGG auf Geschäftsführer von juristischen Personen überhaupt anwendbar ist. Denn das AGG regelt seine Anwendbarkeit auf „Selbstständige und Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer oder Geschäftsführerinnen und Vorstände“ nur, „soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft“ (§ 6 Abs. 3 AGG). Hier ging es jedoch nicht um den Zugang zur Erwerbstätigkeit oder einen beruflichen Aufstieg, sondern um die Beendigung eines Dienstverhältnisses.

Diese Rechtsfrage ist bisher ungeklärt. Das OLG Hamm ließ sie letztlich offen und argumentierte, die Vertragsklausel sei selbst dann wirksam, wenn man sie am AGG messen würde.

Nach dem AGG ist eine vertragliche Bestimmung, die eine Person wegen des Alters benachteiligt, unwirksam (§§ 7 Abs. 2, 1 AGG). Von diesem Grundsatz gibt es jedoch Ausnahmen, wenn die Benachteiligung „objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt“ ist (§ 10 AGG).

Nach Ansicht des OLG handelte es sich hier um eine solche zulässige Ausnahme. Dies begründete der Senat wie folgt:

Das berufliche Anforderungsprofil für Geschäftsführer von Unternehmen sei meist besonders hoch. Aus unternehmensbezogenen Gründen könne daher ein Bedürfnis für die Vereinbarung einer Altersgrenze als Kündigungsgrund bestehen, die unter dem gesetzlichen Renteneintrittsalter liege. Hinzu käme das legitime Interesse eines Unternehmens daran, frühzeitig Nachfolger in die Unternehmensleitung einzustellen. Die vorzeitige Kündbarkeit aufgrund des Erreichens der Altersgrenze benachteilige zwar den Kläger; die Nachteile würden aber hier durch die vereinbarte soziale Absicherung aufgefangen. Einerseits erhielte der Kläger unmittelbar ab dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis eine betriebliche Altersversorgung. Zudem würde der laut § 7 Nr. 3 des Dienstvertrags so gestellt, als habe das Dienstverhältnis noch bis zum Ende des befristeten Beschäftigungszeitraums (also bis August 2018) fortbestanden.

Fazit – Altersgrenze als Kündigungsgrund hier zulässig

Zusammenfassend ist nach Auffassung des erkennenden Senats somit die Vereinbarung einer Altersgrenze als Kündigungsgrund bei einem Dienstverhältnis ausnahmsweise zulässig, wenn unmittelbar eine betriebliche Altersversorgung für den Gekündigten eingreift und die Nachteile der Versorgungszusagen dadurch ausgeglichen werden, dass unterstellt wird, das Dienstverhältnis habe regulär – ohne Kündigung – geendet.

Insbesondere wegen der ungeklärten Frage, ob das AGG für die Kündigung von Geschäftsführern juristischer Personen anwendbar ist, hat das OLG Hamm die Revision zugelassen. Der Kläger hat inzwischen Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt. Es ist damit noch abzuwarten, ob und wie der BGH die Rechtsfragen dieses Falles entscheiden wird.

OLG Hamm, Urteil vom 19.06.2017 – 8 U 18/17.

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