So fordern Sie den Pflichtteil ein

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Als naher Angehöriger steht Ihnen in vielen Fällen ein Pflichtteil vom Erbe zu. Die Einforderung Ihres Pflichtteils kann allerdings schwierig sein. Wie Sie Ihren Pflichtteil durchsetzen, erklären wir Ihnen ausführlich in diesem Beitrag.

  1. Wann habe ich Anspruch auf einen Pflichtteil?
  2. In vier Schritten zum Pflichtteil 
  3. Was kann ich tun, wenn der Erbe nicht zahlt? 
  4. Bis wann muss ich den Pflichtteil einfordern?
  5. Welche Kosten kommen auf mich zu?
  6. Fazit
  7. Was wir für Sie tun können 

1. Wann habe ich Anspruch auf einen Pflichtteil?

Den Pflichtteil können Sie nur beanspruchen, wenn Sie als naher Angehörige des Verstorbenen eigentlich sein gesetzlicher Erbe wären, aber wegen Enterbung oder Ausschlagung kein Erbe erhalten. 

Zu den nahen Angehörigen mit Recht auf einen Pflichtteil gehören gemäß § 2303 BGB folgende Personen:

  • Kinder des Verstorbenen
  • Ehepartner
  • Eltern des Verstorbenen, sofern der Verstorbene keine eigenen Kinder hatte

Weiterhin können in einigen Fällen auch die Enkel und Urenkel des Verstorbenen einen Pflichtteil beanspruchen. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn das Kind des Erblassers bereits verstorben ist. Daneben gibt es noch weitere seltene Fälle. 

Können Sie einen Pflichtteil beanspruchen, besteht dieser in der Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils.

Beispiel:  Sie würden neben Ihrem Bruder eigentlich die Hälfte des elterlichen Erbes beanspruchen können. Sie wurden jedoch enterbt. Ihr Pflichtteil besteht daher nun aus der Hälfte der Hälfte, also einem Viertel, des elterlichen Vermögens.

Wichtig: Während Sie als Erbe auch die einzelnen Gegenstände vom Verstorbenen erhalten, können Sie bei einem Pflichtteil nur Geld verlangen. Bestimmte Sachen des Verstorbenen, beispielsweise Schmuck, können Sie daher nicht einfordern. Das lässt sich allenfalls auf dem Verhandlungswege erreichen. Die Erben müssen dann zustimmen.

2. In vier Schritten zum Pflichtteil 

Das Wichtigste zuerst: Sie müssen aktiv werden, um Ihren Pflichtteil zu erhalten. 

1. Pflichtteil einfordern 

Während ein Erbe automatisch auf Sie übergeht, gestaltet sich die Lage bei einem Pflichtteil komplizierter. Hier können Sie bei Tod Ihres Angehörigen nur eine bestimmte Geldsumme fordern. Zur Zahlung verpflichtet ist der Erbe oder die Erbengemeinschaft. 

Sie müssen Ihren Pflichtteil daher gegenüber diesen geltend machen und aktiv einfordern.

Gehen Sie hier am besten schriftlich vor, andernfalls könnte ein späterer Nachweis schwerfallen.

2. Wertermittlung 

Nachdem Sie Ihren Pflichtteil eingefordert haben, muss die Höhe Ihres Pflichtteils ermittelt werden. Dieser Prozess ist meistens mit einigem Aufwand verbunden.

Die Höhe Ihres Pflichtteils richtet sich nach dem Wert des Nachlasses. Da Sie vom Erben aber nur eine bestimmte Geldsumme fordern können, muss der gesamte Nachlass bewertet werden. 

Die Bewertung des Nachlasses ist nicht Ihre Sache, sondern Pflicht der Erben (§ 2314 BGB). Die Erben müssen daher nun genau feststellen, welche Gegenstände des Erblassers wie viel wert sind. Dies mag bei einem Bankkonto einfach sein, bei wertvollen Sachen, wie beispielsweise Antiquitäten, gestaltet sich die Lage jedoch schwieriger. 

3. Auskunft über Wert verlangen 

Nach der Wertermittlung wird Ihnen der Erbe im besten Fall das Ergebnis mitteilen. Das Ergebnis der Wertermittlung ist für Sie natürlich von großer Bedeutung. Sie können daher die Auskunft einfordern (§ 2314 BGB). Der Erbe muss Sie dann über das Vermögen und die Schulden des Verstorbenen informieren. Es ist unter Juristen umstritten, ob der Erbe seine Angaben Ihnen gegenüber durch Belege nachweisen muss. Trauen Sie den Aussagen des Erben jedoch nicht, so können Sie auch fordern, dass durch die Behörde oder einen Notar ein Nachlassverzeichnis aufgenommen wird. In diesem ist das Vermögen des Erblassers aufgegliedert.

Der Auskunftsanspruch bezieht sich nicht nur auf die Vermögenswerte zum Zeitpunkt des Erbfalles, sondern auf alle lebzeitigen Zuwendungen des Erblassers, insbesondere Schenkungen und Zuwendungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge. Auch bei solchen Zuwendungen kann der Pflichtteilsberechtigte sog. Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen. Der Umfang dieses Anspruches ist davon abhängig, wann solche Zuwendungen erfolgt sind.  

4. Im Idealfall: Auszahlung  

Idealerweise erhalten Sie nach der Wertermittlung und Erteilung der Auskunft über das Vermögen des Erblassers den Pflichtteil ausgezahlt. 

Leider ist das nicht immer so. Wie Sie vorgehen müssen, wenn der Erbe die Zahlung oder bereits die Auskunft verweigert, zeigen wir Ihnen im nächsten Abschnitt. 

3. Was kann ich tun, wenn der Erbe nicht zahlt?

In den meisten Fällen ist klar, dass Sie einen Pflichtteil beanspruchen können und wie hoch dieser ist. Trotzdem sind Erbsachen oft hochemotionale Angelegenheiten, bei denen es nicht immer rational zugeht. Es kommt daher immer wieder vor, dass Erben die Auszahlung des Pflichtteils verweigern. 

Sie sollten den Erben trotzdem erneut zur Zahlung auffordern und ihm eine Zahlungsfrist setzen. Kommt der Erbe Ihrer Aufforderung nicht nach, sollten Sie einen Anwalt aufsuchen.

Dieser wird mit Ihnen das weitere Vorgehen beraten und zunächst schriftlichen Kontakt zum Erben aufnehmen. Ihr Anwalt wird dem Erben nun noch einmal die Rechtslage verständlich darlegen und den Erben zur Zahlung auffordern. 

Genügt das anwaltliche Schreiben an den Erben nicht, werden Sie Ihren Pflichtteil einklagen müssen. Wie die Klage genau aussieht, hängt vom Einzelfall ab. Oftmals muss nicht nur auf Auszahlung des Pflichtteils, sondern auch auf Wertermittlung und Auskunft geklagt werden („Stufenklage“). Im Rahmen der Klage können Sie auch eine eidesstaatliche Versicherung des Erben über die Richtigkeit des Nachlassverzeichnisses fordern.

4. Bis wann muss ich den Pflichtteil einfordern?

Sie müssen Ihren Pflichtteil innerhalb von drei Jahren ab Ablauf des Jahres beanspruchen, in dem Ihr Angehöriger verstorben ist und Sie Kenntnis vom Todesfall sowie Ihrem Pflichtteil erlangt haben. 

Beispiel 1: Ihr Angehöriger ist im November 2020 verstorben. Sie werden sofort benachrichtigt. Nun müssen Sie Ihren Pflichtteil bis zum 31.12.2023 beanspruchen.

Beispiel 2: Ihr Angehöriger ist bereits im Jahre 2020 verstorbenen. Sie werden jedoch erst 2021 über den Todesfall informiert. In diesem Fall können Sie Ihren Pflichtteil bis zum 31.12.2024 einfordern.

Auch ohne Ihre Kenntnis können Sie den Pflichtteil aber nach spätestens 30 Jahren nicht mehr beanspruchen. Dieser Fall ist jedoch selten. In der Regel wird Sie das Nachlassgericht zeitnah kontaktieren.

5. Welche Kosten kommen auf mich zu?

Im besten Fall tragen Sie keine oder kaum Kosten, wenn Sie Ihren Pflichtteil beanspruchen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Wert des Nachlasses klar ist und der Erbe Sie auszahlt.

Verweigert der Erbe jedoch die Zahlung und müssen Sie Ihren Pflichtteil gerichtlich geltend machen, entstehen Kosten. Im Rahmen einer Klage werden vor allem diese Punkte für Sie relevant werden:

  • Kosten für den eigenen und fremden Anwalt
  • Sachverständigenkosten
  • Gerichtskosten

Die Gerichtskosten richten sich grundsätzlich nach der Höhe Ihres Pflichtteils („Streitwert“). Je höher der Streitwert, desto höher die Gerichtskosten. Die Anwaltskosten werden ebenfalls durch den Streitwert, aber auch durch die Dauer und den Aufwand des Rechtsstreits bestimmt. Insbesondere wenn der Erbe jede Auskunft verweigert und zunächst noch der Wert des Nachlasses bestimmt werden muss, zieht sich der Rechtsstreit in die Länge.

Für Sie ist nun natürlich interessant, ob Sie oder der Erbe diese Kosten tragen muss. Eine pauschale Aussage ist hier jedoch nicht möglich. Es kommt immer darauf an, ob Sie den Rechtsstreit gewinnen, verlieren oder sich mit dem Erben vergleichen (= Einigung ohne Urteil). 

Die unterlegene Partei trägt grundsätzlich auch die Kosten des Verfahrens. Im Rahmen eines Vergleichs werden die Kosten häufig geteilt. 

So sparen Sie: Die Kosten eines anwaltliches Schreibens an den Erben liegen deutlich unter den Kosten eines Rechtsstreits. Oftmals kann der Streit ohne Klage beigelegt und Ihre Kosten daher geringgehalten werden. 

Die Kosten für die Wertermittlung des Nachlasses müssen Sie hingegen in keinem Fall tragen. Hier sind die Erben in der Pflicht. Die Kosten werden aus dem Nachlass bezahlt (§ 2314 II BGB). 

Zuletzt fällt auch Erbschaftssteuer an. Als naher Angehöriger steht Ihnen jedoch regelmäßig ein hoher Freibetrag zu, sodass eine solche Steuer oft nur bei einem großen Nachlass anfällt.

6. Fazit

  • Nahe Angehörige können dann einen Pflichtteil beanspruchen, wenn sie ihr gesetzliches Erbe nicht erhalten.
  • Bei einem Pflichtteil können Sie lediglich Zahlung einer Geldsumme, nicht aber bestimmte Sachen fordern.
  • Zunächst müssen Sie Ihren Pflichtteil gegenüber dem Erben geltend machen. Sie erhalten nicht automatisch mit dem Todesfall des Erblassers Ihren Pflichtteil.
  • Die genaue Höhe des Pflichtteils hängt vom Wert des Nachlasses ab. 
  • Sie haben Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung gegenüber den Erben.
  • Zahlt der Erbe nicht, sollten Sie ihm eine Zahlungsfrist setzen.
  • Führt dies nicht zum Erfolg, sollten Sie einen Anwalt einschalten. Dieser wird den Erben erneut zur Zahlung auffordern.
  • Anschließend kommt eine Klage in Betracht.
  • Die Kosten der Streitigkeit mit dem Erben richten sich maßgeblich nach der Höhe des Pflichtteils und der Dauer des Streits.
  • Die Kosten eines Gerichtverfahrens trägt grundsätzlich die unterlegene Partei.
  • Die Wertermittlungskosten müssen Sie zwar nicht tragen, sie werden jedoch dem Nachlass angelastet.
  • Bei einem großen Nachlass müssen Sie Erbschaftssteuer zahlen.

7. Was wir für Sie tun können

  • Wir beraten Sie über das sinnvollste Vorgehen, um Ihren Pflichtteil durchzusetzen. 
  • Wir überzeugen die Erben nach Möglichkeit außergerichtlich zur Zahlung Ihres Pflichtteils. So sparen alle Beteiligten Kosten und Nerven. 
  • Weigern sich die Erben trotzdem, erheben wir Klage in Ihrem Namen.  
  • Selbstverständlich stehen wir Ihnen auch im anschließenden Vollstreckungsverfahren zur Seite, sollten sich die Erben auch nach einem Urteil gegen sie nicht zur Zahlung bereit erklären.   
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