Darlehen in der Coronakrise: Diese Rechte gibt das neue Gesetz Verbrauchern

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Die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zeichnen sich immer deutlicher ab. Kürzlich hat der Bundestag daher ein neues Gesetz beschlossen, das im Darlehensrecht Stundungen und eine Kündigungssperre zugunsten der Verbraucher vorsieht. 

  1. Wann ist ein Darlehen normalerweise zurückzuzahlen?
  2. Wann kann die Bank ein Verbraucherdarlehen normalerweise kündigen?
  3. Was ändert sich wegen Corona?
    1. Stundung der Zahlungen
    2. Kündigungssperre
    3. Kann der Darlehensnehmer trotzdem zurückzahlen?
    4. Wie sollen die drei Monate der Stundung sinnvoll genutzt werden?
    5. Wie lange gelten die Maßnahmen?
    6. Wie geht es danach weiter?
  4. Fazit
  5. Was wir für Sie tun können

1. Wann ist ein Darlehen normalerweise zurückzuzahlen?

Ein Darlehensvertrag (§ 488 ff. BGB) regelt die Überlassung eines bestimmten Geldbetrages auf Zeit. Umgangssprachlich redet man davon, einen Kredit aufzunehmen. Der Kreditnehmer muss Zinsen und Tilgungszahlungen leisten. Die sog. Fälligkeit bestimmt, zu welchem Zeitpunkt dies zu geschehen hat. In vielen Verträgen ist vorgesehen, dass monatlich ein Betrag für Zinsen und Tilgung zu zahlen ist. Das Darlehen wird dann jeden Monat nach und nach abbezahlt. Kündigt eine Partei den Vertrag, ist das gesamte Darlehensvolumen zurückzuzahlen. Zudem verlangen Banken meist den Schaden ersetzt, der ihnen durch Ausfall der weiteren Zinsen entsteht (sog. „Vorfälligkeitsentschädigung“). 

2. Wann kann die Bank ein Verbraucherdarlehen normalerweise kündigen?

Das neue Gesetz zur Abmilderung der Corona-Folgen gilt (zunächst) nur für Verbraucherdarlehen. Darunter versteht man einen Kredit, den der Darlehensnehmer zu überwiegend privaten Zwecken aufgenommen hat.

Klassische Beispiele für Verbraucherdarlehen sind etwa: 

  • Kredite für die Baufinanzierung
  • Darlehen zur Kfz-Finanzierung 
  • Ratenkredite zur Deckung des allgemeinen Geldbedarfs eines Konsumenten 

Von diesem Begriff gesetzlich ausgeschlossen sind neben Betriebskrediten z.B. Förderdarlehen, Arbeitgeberdarlehen, Sachdarlehen, unentgeltliche (d.h. zinslose) Darlehen oder Kredite unter 200 Euro. 

Ein solches Darlehen kann die Bank regulär kündigen, wenn

  • der Verbraucher mit zwei aufeinander folgenden Teilzahlungen ganz oder zum Teil oder je nach Vertragslaufzeit mindestens mit 5% oder 10% des Darlehensbetrags in Verzug ist und
  • eine zweiwöchige Frist zur Rückzahlung verstreichen lässt.

Zudem kann der Darlehensgeber außerordentlich nach § 490 BGB kündigen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbrauchers oder die Werthaltigkeit von Sicherheiten verschlechtern.

Das bedeutet: Zahlt der Kreditnehmer über einen gewissen Zeitraum nicht, droht normalerweise die Kündigung des Darlehens.

3. Was ändert sich wegen Corona?

a. Stundung der Zahlungen

Alle Ansprüche der Bank auf Rückzahlung, Zinsen und Tilgung, die zwischen dem 01.04. bis 30.06.2020 fällig werden, sind für drei Monate gestundet.

Stundung bedeutet, dass der Verbraucher erst später als eigentlich vorgesehen zahlen muss. Er kommt also nicht in Verzug und muss daher auch keine Verzugszinsen für diesen Zeitraum zahlen.

Beispiel: Eine Zahlung, die eigentlich am 15. März fällig wäre, muss aufgrund der neuen Regelung erst am 15. Juni geleistet werden.

Dies gilt allerdings nur, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Es handelt sich um einen Verbraucherdarlehensvertrag (s.o.). Jedoch wird der Bundesregierung das Recht eingeräumt, durch Verordnung die neue Regelung in Zukunft auf andere schutzbedürftige Darlehensnehmer (z.B. Kleinstunternehmer) zu erweitern.
  2. Der Vertrag wurde vor dem 15.03.2020 abgeschlossen. Nach diesem Datum ließ sich nach Ansicht des Gesetzgebers schon erahnen, dass die Corona-Krise weitreichende ökonomische Konsequenzen haben würde. Verbraucher, die zu diesem Zeitpunkt noch Darlehensverträge abschlossen, müssen die Auswirkungen der Coronakrise in ihre Zahlungspflichten einplanen. 
  3. Der Darlehensnehmer hat wegen der Auswirkungen der Pandemie Einnahmeausfälle, durch die ihm die Zahlung unzumutbar wird. Dies muss er ggf. durch entsprechende Dokumente nachweisen. Finanzielle Engpässe aus anderen Gründen als Corona fallen nicht unter die neue Regelung. Der Nachweis über Verdienstausfälle wegen Corona reicht regelmäßig wohl auch nicht für eine Stundung, wenn der Verbraucher aus anderem Vermögen/Einkommen nach wie vor zahlen kann. Die Leistung ist ihm insbesondere unzumutbar, wenn ein angemessener Lebensunterhalt für ihn und seine Familie durch die Zahlung gefährdet würde.

Die gesetzliche Stundung gilt somit nicht pauschal für alle Darlehensverträge. Daher sollten sich betroffene Verbraucher schnellstmöglich an ihren Darlehensgeber wenden, wenn sie die Kriterien erfüllen.

Beispiel: Fotografin F müsste am 15.04.2020 ein Darlehen in Höhe von 100.000€ für ihr Eigenheim an die Bank B zurückzahlen. Bis dahin fallen zusätzlich jeden Monat Zinsen von 5% an. Den Vertrag hatte sie im Jahr 2010 geschlossen. Normalerweise verdient sie als selbstständige Event-Fotografin ca. 5.000€ im Monat. Im Zuge der Corona-Krise erhält sie seit Mitte März auf unbestimmte Zeit keine Aufträge mehr, da alle Veranstaltungen abgesagt wurden. Sie kann nachweisen, dass sie nun von ihrem Ersparten sich und ihre Familie versorgen muss. Das Darlehen kann sie zurzeit nicht bezahlen, ohne sich erneut zu verschulden oder die Versorgung des einkommenslosen Ehemanns und der Kinder zu gefährden. Daher wird die Forderung gesetzlich gestundet. Die neue Fälligkeit der Rückzahlung ist der 15.07.2020. Auch die bisher regulär entstandenen Zinsen (keine Verzugszinsen) müssen erst zu diesem Zeitpunkt gezahlt werden.

Wegen der hohen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ist die Stundung dem Darlehensgeber nur im Ausnahmefall unzumutbar, etwa wenn der Verbraucher seine Pflichten schwer und schuldhaft verletzt hat.

b. Kündigungssperre

Zudem gilt für denselben Zeitraum eine Kündigungssperre für den Darlehensgeber 

  • wegen Zahlungsverzugs, 
  • wegen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbrauchers 
  • oder einer Verschlechterung der Werthaltigkeit von Sicherheiten.

Weiterhin möglich bleibt eine Kündigung aus anderen wichtigen Gründen gem. § 314 BGB. Als wichtige Gründe zählen hier die seltenen Fälle, in denen dem Darlehensgeber die Weiterführung des Vertrags aus anderen Gründen als einer Leistungsstörung unzumutbar wird. 

Dies wäre z.B. der Fall, wenn der Verbraucher bei Abschluss des Vertrags unrichtige Angaben gemacht hat oder eine Straftat gegen den Darlehensgeber begeht.

c. Kann der Darlehensnehmer trotzdem zurückzahlen?

Wenn die oben genannten Merkmale erfüllt sind, werden Rück- und Zinszahlungen aufgrund der Stundung erst drei Monate später fällig. Allerdings kann der Verbraucher sie trotzdem leisten, wenn er möchte. Denn in manchen Konstellationen kann es vorteilhafter für ihn sein, die Leistung jetzt schon zu erbringen.

Selbst wenn der Verbraucher zunächst weiterzahlt, dann aber wegen der Coronakrise doch in finanzielle Schwierigkeiten gerät, kann er später – innerhalb des Zeitraums von April bis Juni – den Anspruch stunden lassen.

Zudem wird den Vertragsparteien die Möglichkeit gelassen, von der gesetzlichen Regelung abweichende Lösungen zu finden. Darauf müssen sie sich allerdings einigen. Die Bank kann nicht einseitig Abweichungen anordnen. Einigungen sind denkbar z.B. in Bezug auf Teilleistungen, Zins- und Tilgungsanpassungen oder Umschuldungen. Allerdings kann von der gesetzlichen Regelung zur Kündigungssperre nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden. 

d. Wie sollen die drei Monate der Stundung sinnvoll genutzt werden?

Die dreimonatige Schonzeit für den Verbraucher soll diesen einerseits finanziell entlasten, ihm andererseits auch die Zeit geben, sich nach (staatlichen und privaten) Hilfsangeboten umzuschauen. In den drei Monaten kann er u.U. staatliche Hilfen beantragen, sodass er zum neuen Fälligkeitstermin die offenen Beträge überweisen kann. 

Um eine gemeinsame Lösung zu finden und evtl. nach Unterstützungsmaßnahmen zu suchen, soll der Darlehensgeber dem Verbraucher nach dem Gesetz ein Beratungsgespräch anbieten. Dieses kann auch telefonisch oder per Videoanruf erfolgen.

e. Wie lange gelten die Maßnahmen?

Noch ist unklar, wann der Höhepunkt der Pandemie erreicht ist. Das Ende der Stundung und Kündigungsbeschränkung ist daher eventuell nur vorläufig. Der Bundestag hat die Regierung ermächtigt, im Falle eines Fortdauerns der jetzigen Situation 

  • Stundung und Kündigungssperre ohne Beteiligung des Bundestages auf Ansprüche aus der Zeit bis September 2020 zu verlängern 
  • und die Dauer der Stundung auf bis zu 12 Monate zu erweitern. 

f. Wie geht es danach weiter?

Wenn Darlehensgeber und Verbraucher keine andere einvernehmliche Lösung für die Zeit nach dem (zunächst) 30.06. finden können, verlängert sich die Vertragslaufzeit gesetzlich um drei Monate. Das heißt, dass sich auch die Fälligkeit der nach dem 30.06.2020 entstehenden Ansprüche nach hinten verschiebt. So sollen Doppelbelastungen für den Verbraucher vermieden werden.

Beispiel: X hat ein Darlehen bei der Bank B aufgenommen, das ihm im Rahmen der neuen Regelung wegen Corona gestundet wird. Die Fälligkeit der Rate für April wird somit vom 01.04. auf den 01.07. verschoben. Damit X am 01.07. nicht gleichzeitig die Raten für April und Juli zahlen muss, wird die Fälligkeit der Juli-Rate entsprechend auf den 01.10. verschoben. Der gesamte Vertrag verlängert sich also um drei Monate.

4. Fazit

  • Auf alle Ansprüche der Bank aus einem vor dem 15.03. vereinbarten Verbraucherdarlehen, die zwischen dem 01.04. und 30.06.2020 fällig werden, darf bis zu drei Monate später gezahlt werden.   
  • Außerdem kann die Bank den Vertrag in dieser Zeit nicht wegen Zahlungsverzugs, wegen einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Verbrauchers oder einer Verschlechterung der Werthaltigkeit von Sicherheiten kündigen.
  • Zudem muss der Verbraucher aufgrund von Corona konkrete Einnahmeausfälle haben, die ihm die Zahlung derzeit unzumutbar machen. Dies muss er nachweisen können.
  • Wenn der Verbraucher die Kriterien der Stundung erfüllt, sollte er seine Bank schnellstmöglich davon unterrichten.
  • Der Darlehensnehmer kann natürlich trotzdem wie vereinbart weiterzahlen.

5. Was wir für Sie tun können

Für Verbraucher: 

  • Wir setzen uns seit vielen Jahren als Fachanwälte für Bank- und Kapitalmarktrecht für die Rechte von Verbrauchern ein. Wir beraten Sie umfassend, welche Möglichkeiten das neue Gesetz Ihnen bietet. Natürlich nehmen wir dabei die besonderen Umstände der aktuellen Situation in den Blick. Zum Beispiel besprechen wir auch staatliche Hilfsleistungen mit Ihnen. 

Für Banken:

  • Das neue Gesetz schränkt die Rechte der Banken zwar ein – jede Handlungsmöglichkeit nimmt es ihnen jedoch nicht. Wir zeigen Ihnen auf, wann Kündigungen noch möglich sind und wie Ihre Ansprüche bestmöglich gesichert werden können. 
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