Kündigungsschutzgesetz: Arbeitnehmer hat Anwendbarkeit zu beweisen

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Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schränkt die Möglichkeit des Arbeitgebers ein, ordentliche – also fristgerechte – Kündigungen auszusprechen. Es schützt Arbeitnehmer in Betrieben mit regelmäßig mehr als zehn Mitarbeitern.

  • Spricht der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine ordentliche Kündigung aus, hat der Arbeitnehmer das Überschreiten dieser Schwelle zu beweisen.
  • Führt der Arbeitgeber mehrere Standorte mit weniger als zehn Mitarbeitern, kommt es für die Berechnung darauf an, ob die Standorte ihre Personal- und Sozialfragen selbständig regeln. Nur wenn dies nicht der Fall ist, sind bei der Berechnung des Schwellenwertes die Mitarbeiter der Standorte zusammenzuzählen. So entschied das Bundesarbeitsgericht.

Arbeitgeber hält Kündigungsschutzgesetz für nicht anwendbar

Im zu entscheidenden Fall wurde einem Vertriebsleiter einer Fondsgesellschaft ordentlich gekündigt. Die Gesellschaft unterhielt jeweils einen Standort in Hamburg und München. Neben dem Vertriebsleiter beschäftigte das Unternehmen acht weitere Arbeitnehmer in Vollzeit sowie einen weiteren Mitarbeiter in Teilzeit. Jeder Standort hatte einen Geschäftsführer.

Der Arbeitnehmer erhob gegen seine Kündigung Klage vor dem Arbeitsgericht.

Er hielt seine ordentliche Kündigung für sozial ungerechtfertigt im Sinne des KSchG. Nach Ansicht des Arbeitgebers war das Kündigungsschutzgesetz mangels Überschreitung des o.g. Schwellenwerts erst gar nicht anwendbar.
Der Arbeitnehmer behauptet hingegen, die beiden Betriebsstätten des Arbeitgebers ergäben einen einheitlichen Betrieb. Zähle man die Beschäftigten der Standorte zusammen, lägen genügend Beschäftigte vor, um den Schwellenwert der Kleinbetriebsklausel zu überschreiten, sodass der allgemeine Kündigungsschutz des KSchG gelte.

Nach dem KSchG sind nur solche ordentlichen Kündigungen sozial gerechtfertigt, die in der Person des Arbeitnehmers (z.B. häufige Krankheit), in seinem Verhalten (z.B. beharrliche Arbeitsverweigerung) oder in betrieblichen Umständen (z.B. Schließung eines Standorts) begründet sind. Hingegen sind Arbeitnehmer in sog. Kleinbetrieben mit regelmäßig nicht mehr als zehn Mitarbeitern deutlich weniger vor ordentlichen Kündigungen geschützt.

Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab. In der Berufung entschied das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hingegen für den Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber legte daraufhin Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ein.

Die Beweislast liegt beim Arbeitnehmer

Das Bundesarbeitsgericht versteht es als Obliegenheit des Arbeitnehmers, zu beweisen, dass der Betrieb des Arbeitgebers in den Geltungsbereich des KSchG fällt.

Seine Möglichkeiten seien dabei häufig begrenzt. Daher müsse er nur schlüssig erklären, aus welchen Umständen er schließe, dass regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer zum Betrieb zählten. Im zu entscheidenden Fall habe der Arbeitnehmer nach dieser Maßgabe also darzulegen, dass statt mehrerer Kleinbetriebe ein einheitlicher Betrieb bestehe, welcher die Kleinbetriebsklausel überwinde. Unterlasse er dies oder bestreite er die Ausführungen des Arbeitgebers zum Vorliegen eines Kleinbetriebes nicht, so gelte Letzterer als zugestanden. Entscheidend sei, dass er deutlich zu verstehen gebe, dem Vorbringen des Arbeitgebers zu widersprechen.

Kein einheitlicher Betrieb gegeben

Die Richter sahen die beiden Standorte des Arbeitgebers nicht als einheitlichen Betrieb an. Selbst wenn die Anzahl der Mitarbeiter beider Betriebsstätten zusammen zehn überstiegen, würde dies die Anwendbarkeit des KSchG also nicht begründen.

Zwar würden beide Standorte über eine gemeinsame Telefonanlage verfügen und zentral sämtliche Urlaubsanträge bearbeiten. Trotzdem würden die wesentlichen Personal- und Sozialfragen der Standorte von den jeweiligen Geschäftsführern für jeden Standort selbständig entschieden. Dies sei entscheidend für die Frage, ob ein einheitlicher Betrieb vorliege.

Das KSchG sei daher nicht anwendbar. Die Kündigung ist also wirksam.

Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 02.03.2017, 2 AZR 427/16

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