Strafanzeige gegen Arbeitgeber gestellt: Ordentliche Kündigung wirksam

Ein Arbeitnehmer, der gegen seinen Arbeitgeber eine Strafanzeige ohne haltbare Grundlage stellt, verletzt schuldhaft seine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung ist daher grundsätzlich gerechtfertigt.

So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

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Statusänderung auf XING zu „Freiberufler“ rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Ein Arbeitnehmer, der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Status in einem Karriere-Netzwerk in „Freiberufler“ umändert, wirbt noch nicht aktiv für eine Konkurrenztätigkeit. Die Statusänderung auf XING & Co. allein rechtfertigt daher keine fristlose Kündigung. Dies entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

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Abmahnung: Das Wichtigste zusammengefasst

„Eine Abmahnung ist nur schriftlich wirksam“

„Nach drei Abmahnungen darf der Arbeitgeber kündigen“

“Gegen eine Abmahnung ist sofort zu klagen”

Stimmt das denn wirklich?

Abmahnungen haben in der Arbeitswelt eine große Bedeutung. Wer im Umgang mit Abmahnungen sichergehen will, sollte sich auf pauschale Aussagen wie die oben genannten nicht verlassen.

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Außerordentliche Verdachtskündigung

BAG, Urteil vom 24.5.2012, 2 AZR 206/11

 

1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (Tz. 15 des Urteils).

2. Im Strafverfahren gewonnene Erkenntnisse oder Handlungen der Strafverfolgungsbehörden können die Annahme verstärken, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen. Allerdings wird die Verdachtskündigung nicht allein auf eine den dringenden Tatverdacht bejahende Entscheidung der Strafverfolgungsbehörden als solche gestützt werden können. Bei der Kündigung wegen erwiesener Tat reicht eine strafgerichtliche Verurteilung für sich genommen nicht aus, die Kündigung zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte gehalten, den Sachverhalt im Kündigungsschutzprozess ohne Bindung an das Strafurteil selbst aufzuklären und zu bewerten. Für die Verdachtskündigung wird nichts anderes gelten können. Dies hat zur Folge, dass Handlungen oder Entscheidungen der Strafverfolgungsbehörden allenfalls indizielle Bedeutung für die vom Gericht vorzunehmende Bewertung erlangen können, ob die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund wegen des entsprechenden Verdachts gerechtfertigt ist. Die behördlichen Maßnahmen bilden dagegen für sich genommen keinen Kündigungsgrund und sind nicht geeignet, eine eigene Bewertung der den Verdacht begründenden Tatsachen durch die mit der Sache befassten Gerichte zu ersetzen  (Tz. 25, 26 des Urteils).

3. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung der Verdachtskündigung. Bei dieser besteht in besonderem Maße die Gefahr, dass der Arbeitnehmer zu Unrecht beschuldigt wird. Dessen Anhörung ist deshalb ein Gebot der Verhältnismäßigkeit. Unterbliebe sie, wäre die Kündigung nicht „ultima ratio“ (Tz. 32 des Urteils).

 

Verlust des Sonderkündigungsschutzes bei wahrheitswidriger Verneinung des Vorliegens einer Schwerbehinderung

BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 6 AZR 553 /10

1. Die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung bzw. einem diesbezüglich gestellten Antrag ist im bestehenden Arbeitsverhältnis jedenfalls nach sechs Monaten, d. h. gegebenenfalls nach Erwerb des Behindertenschutzes gemäß §§ 85 ff. SGB IX, zulässig. Das gilt insbesondere zur Vorbereitung von beabsichtigten Kündigungen (amtlicher Leitsatz des Gerichts).

2. Die Frage im Vorfeld einer Kündigung diskriminiert den Arbeitnehmer nicht wegen einer Behinderung unmittelbar i. S. des § 3 I 1 AGG. Die Frage dient vielmehr der Wahrung der Rechte und Interessen der Schwerbehinderten und ist Voraussetzung dafür, dass der Arbeitgeber die Belange des schwerbehinderten Menschen bei Kündigungen überhaupt wahren kann (Orientierungssatz des Gerichts).

3. Verneint der schwerbehinderte Arbeitnehmer die Frage nach seiner Schwerbehinderung im Vorfeld einer Kündigung wahrheitswidrig, ist es ihm im Kündigungsschutzprozess unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berufen. (Orientierungssatz des Gerichts).

Anrechnung einer Abfindung nach § 1a KSchG auf tarifliche Abfindung – Voraussetzungen ergänzender Tarifauslegung

(BAG: Urteil vom 16.12.2010 – 6 AZR 423/09)

Orientierungssätze:

1. Nachträglich lückenhaft gewordene tarifvertragliche Regelungen sind einer ergänzenden Auslegung grundsätzlich nur dann zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist.

2. Im Falle einer unbewussten Tariflücke oder einer nachträglich lückenhaft gewordenen tariflichen Regelung haben die Gerichte grundsätzlich die Möglichkeit und die Pflicht, die Tariflücke zu schließen und sich dabei an dem bestehenden System und dessen Konzeption zu orientieren, wenn kein Spielraum zur Lückenfüllung bleibt und sich unter Berücksichtigung von Treu und Glauben ausreichende Anhaltspunkte für den mutmaßlichen Willen der Tarifvertragsparteien ergeben.

3. Der Charakter einer Regelung als Ausnahmeregelung schließt es nicht von vornherein aus, eine Tariflücke im Wege einer Analogie zu schließen.

4. Die Regelung in § 7 Ziffer 7 SchutzTV, wonach ua. kein Anspruch auf die Abfindung wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses besteht, wenn dem Arbeitnehmer nach einem Vergleich eine Abfindung zusteht, ist ergänzend dahin auszulegen, dass auch eine Abfindung nach § 1a KSchG den tariflichen Abfindungsanspruch ausschließt.