Druckkündigung: Gibt es Abfindung oder Schadensersatz?

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Bei einer Druckkündigung befindet sich der Arbeitgeber in einer schwierigen Situation: Kollegen oder Geschäftspartner fordern die Kündigung eines bestimmten Arbeitnehmers. Wir erklären, unter welchen Umständen eine Druckkündigung möglich ist.

  1. Was ist eine Druckkündigung? 
  2. Wann ist eine echte Druckkündigung möglich?
  3. Typische Fehler einer echten Druckkündigung 
  4. Steht dem Arbeitnehmer Schadensersatz oder eine Abfindung zu?
  5. Kündigung auf Druck des Betriebsrats?
  6. Wann ist eine fristlose Druckkündigung möglich? 
  7. Fazit
  8. Was wir für Sie tun können

1. Was ist eine Druckkündigung? 

„Wenn Sie Mitarbeiter Müller nicht kündigen, arbeite ich nicht mehr für Sie!“ – So oder ähnlich kann eine Drohung lauten, die den Arbeitgeber zu einer Druckkündigung veranlasst.

Bei einer Druckkündigung entlässt der Arbeitgeber einen bestimmten Arbeitnehmer, weil Mitarbeiter oder Geschäftspartner ihn dazu drängen. Die Voraussetzungen für eine Druckkündigung sind allerdings hoch, wie wir im Folgenden erklären. 

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen der echten und der unechten Druckkündigung:

Echte Druckkündigung

Bei einer echten Druckkündigung kündigt der Arbeitgeber einem bestimmten Arbeitnehmer gerade deshalb, weil er unter zu großen Druck z.B. der anderen Arbeitnehmer steht. 

In diesem Fall kommt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine betriebsbedingte Kündigung in Frage. Allerdings ist die Zulässigkeit einer echten Druckkündigung an sehr hohe Anforderungen geknüpft. Wann eine echte Druckkündigung möglich ist, lesen Sie im nächsten Abschnitt. 

Typische Fälle einer echten Druckkündigung sind zum Beispiel, dass die Belegschaft mit einem Streik oder der Massenkündigung droht. Der Druck muss aber nicht zwingend von den eigenen Arbeitnehmern ausgehen. Eine echte Druckkündigung ist auch denkbar, wenn ein Geschäftspartner mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen droht, falls ein bestimmter Arbeitnehmer weiter beschäftigt wird.

Beispiel (BAG, Urteil vom 15.12.2016 – 2 AZR 431/15): Nahezu die gesamte Belegschaft eines Containerterminals verweigert die Arbeit, solange sich ein wegen Kindesmissbrauchs verurteilter Mitarbeiter auf dem Terminal aufhält. Daraufhin kündigt die Arbeitgeberin dem verurteilten Mitarbeiter im Wege der Druckkündigung. Eine frühere Kündigung wegen Kindesmissbrauchs war vor dem Arbeitsgericht gescheitert, weil die Tat keinen Bezug zur Arbeit hatte. 

Das Bundesarbeitsgericht hielt allerdings auch die erneute Kündigung nicht für wirksam, da der Arbeitgeber zunächst auf die Streikenden hätte einwirken müssen.

Unechte Druckkündigung

Bei der unechten Druckkündigung hingegen erfolgt die Kündigung nicht in erster Linie wegen des Drucks, den die Arbeitnehmer oder Geschäftspartner ausüben. Vielmehr hat der betreffende Arbeitnehmer ohnehin bereits durch sein Verhalten einen Kündigungsgrund geschaffen. Der Druck von außen kommt bloß hinzu. 

Der Arbeitgeber könnte den Arbeitnehmer also auch dann entlassen, wenn die Belegschaft nicht dessen Entlassung fordern würde. Der Druck der anderen ist also nur ein Anstoß.

Beispiel: Führungskraft A beleidigt unterstellte Mitarbeiter regelmäßig schwer und wurde deshalb bereits abgemahnt. Große Teile der Belegschaft drohen mit dem Wechsel zur Konkurrenz, wenn A nicht entlassen wird. A kann (wahrscheinlich) bereits wegen der Beleidigungen wirksam gekündigt werden. Der Druck der übrigen Belegschaft ist bloß ein weiterer Anlass, auf den es aus arbeitsrechtlicher Perspektive für die Kündigung schon nicht mehr ankommt.

Bei der unechten Druckkündigung spricht der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer keine betriebsbedingte, sondern eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung aus. Ihre Wirksamkeit beurteilt das Gericht nach den „üblichen“ Grundsätzen des Kündigungsrechts. In Betracht kommen etwa diese Gründe: 

Unter Umständen genügt bereits ein (erheblicher) Verdacht. Dann ist eine sog. Verdachtskündigung möglich.

2. Wann ist eine echte Druckkündigung möglich?

Da dem betroffenen Arbeitnehmer arbeitsrechtlich eigentlich nichts vorzuwerfen ist, liegt die Schwelle für eine wirksame echte Druckkündigung sehr hoch. 


Diese Voraussetzungen müssen erfüllt sein: 

  • Der Arbeitgeber steht auf der Seite des Arbeitnehmers: Der Arbeitgeber muss sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellen. Er darf dem Kündigungsbegehren eines Dritten nicht ohne weiteres nachgeben, sondern hat als Erstes den Sachverhalt aufzuklären. Vor allem aber muss der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer klar Stellung beziehen und den drohenden Dritten darlegen, dass aus arbeitsrechtlicher Sicht kein Kündigungsgrund vorliegt. Außerdem übernimmt der Arbeitgeber die Rolle des Vermittlers zwischen den Konfliktparteien.
  • Konsequenzen für die Belegschaft:  Wenn diese Maßnahmen nichts nützen und der Arbeitgeber weiterhin unter Druck steht, muss er die drohenden Dritten auf die möglichen Folgen ihrer Kündigungsforderung hinweisen (deshalb erklärte das Bundesarbeitsgericht die Druckkündigung des Mitarbeiters eines Containerterminals aus dem obigen Beispiel für unwirksam). 
  • Schwere wirtschaftliche Nachteile für den Betrieb: Hilft alles nichts, kann die Druckkündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn dem Arbeitgeber bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Nachteile drohen. 

Beispiel: Droht einer von hundert wichtigen Kunden die Geschäftsbeziehung zu beenden, reicht dies nicht aus – eine drohende Massenkündigung oder massive Arbeitsverweigerung hingegen schon.

  • Kündigung als letztes Mittel: Schließlich ist Voraussetzung, dass die Kündigung das einzig praktisch in Betracht kommende Mittel ist, um die wirtschaftlichen Schäden abzuwenden (BAG 19. Juni 1986 – 2 AZR 563/85). Neben der Druckkündigung kommt z. B. die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder eine Änderungskündigung in Frage. 
  • Anhörung des Arbeitnehmers: Achtung! Der Arbeitgeber muss Sie vor einer Druckkündigung nicht zwingend anhören. Die Kündigung kann auch ohne Ihre Stellungnahme wirksam sein. Allerdings können Ihre Argumente natürlich helfen, den Konflikt zu lösen. 
  • Anhörung des Betriebsrates: Allerdings hat der Arbeitgeber die Pflicht, vor der Kündigung den Betriebsrat anzuhören. Aufgrund der besonderen Situation wird dieser auch besonderes Augenmaß anlegen. Der Arbeitgeber muss vor dem Betriebsrat zu Betroffenen, Druckmittel und den wirtschaftlichen Nachteilen der Drohung Stellung nehmen und die Kündigung begründen.

Hinweis: Der Arbeitgeber muss zunächst beweisen, dass die Voraussetzungen einer echten Druckkündigung vorliegen. Ist ihm dies gelungen, hat der Arbeitnehmer das Gegenteil zu beweisen.

3. Typische Fehler einer echten Druckkündigung

Da es sich bei einer Druckkündigung um eine schwierige Situation handelt, unterlaufen dem Arbeitgeber oft gravierende Fehler, die den betroffenen Arbeitnehmer in eine bessere Verhandlungsposition bringen. 

Betroffene Arbeitnehmer haben dann gute Chancen, eine attraktive Abfindung zu erzielen oder ihre Stelle zu retten.

Hier sind einige Anhaltspunkte zu beachten:

  • Erste Kündigung war schon unwirksam: Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bereits zuvor unwirksam gekündigt, stellt das BAG besonders hohe Anforderungen an das Verhalten des Arbeitgebers und die behauptete Drucksituation. Scheint dem Arbeitgeber der Druck gerade recht zu kommen, verliert die „Extremsituation“ an Aussagekraft.
  • Viel Zeit vergangen: Der Arbeitgeber lässt nach Entstehen der vermeintlichen Drucksituation zu viel Zeit verstreichen, bevor er Ihnen kündigt. Dies spricht ebenfalls gegen eine extreme Zwangslage des Arbeitgebers. 
  • Zu wenig Vermittlung: Der Arbeitgeber unternimmt nicht alles ihm Zumutbare, um die drohenden Dritten vom Gegenteil zu überzeugen und zu vermitteln: ggf. Mediationen oder Abmahnung der Arbeitskollegen. 
  • Drucksituation selbst geschaffen: Zu berücksichtigen ist auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst herbeigeführt hat. 
  • Diskriminierende Gründe: Generell gilt: Eine Kündigung aus diskriminierenden Gründen wie Herkunft, Geschlecht oder Religion kann nicht gerechtfertigt werden. Dies ist auch bei einer echten Druckkündigung der Fall. Veranlassen Arbeitnehmer oder Geschäftspartner eine Kündigung aus diskriminierenden Gründen, ist diese von vornherein ausgeschlossen. 

4. Steht dem Arbeitnehmer Schadensersatz oder eine Abfindung zu? 

Unter bestimmten Umständen kann der gekündigte Arbeitnehmer Zahlung von den beteiligten Parteien verlangen. 

Schadensersatzanspruch gegen Dritte 

Der Arbeitnehmer kann von Dritten, die die Kündigung veranlasst haben, Schadenersatz verlangen, wenn er durch deren Verschulden seinen Arbeitsplatz verloren hat. Dies ist z.B. der Fall, wenn der Dritte dem Arbeitnehmer schaden wollte und unwahre Tatsachen über ihn verbreitet hat. 

Beispiel: Ein Kollege verbreitet das Gerücht, der betroffene Arbeitnehmer sei pädophil. Daraufhin fordert die gesamte Belegschaft seine Entlassung und es kommt zur Druckkündigung. Das Gerücht ist jedoch frei erfunden und nachweislich falsch. Der Gekündigte kann von diesem Kollegen Schadenersatz für den entgangenen Lohn und die Anwaltskosten verlangen.

Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber

Eine Schadensersatzpflicht gegenüber dem Arbeitgeber kann sich ebenfalls daraus ergeben, dass sich die erhobenen Vorwürfe im Nachhinein als falsch herausstellen.

Hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht ausreichend in Schutz genommen oder die Drucksituation sogar schuldhaft herbeigeführt, steht ihm ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht zu.

Abfindung

Aufgrund der hohen Hürden und der Fehleranfälligkeit einer Druckkündigung stehen die Chancen auf eine hohe Abfindung gut. Ein Anspruch darauf besteht nicht. Sie müssen vielmehr verhandeln. 

Dabei verzichten Sie in der Regel auf eine Kündigungsschutzklage oder ziehen diese zurück, verlassen das Unternehmen freiwillig und erhalten im Gegenzug die Abfindung. 

Eine verbreitete Standardformel für die Abfindungshöhe lautet: 0,5 Bruttomonatsgehälter x Anzahl der Jahre im Betrieb.

Wie hoch die Abfindung tatsächlich ausfällt, hängt von den Verhandlungen ab. Großen Einfluss hat, wie gut sich Ihre Kündigung begründen lässt. Je eher das Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam erklären würde, desto höhere Beträge sind realistisch. 

5. Kündigung auf Druck des Betriebsrates? 

Der Druck kann auch vom Betriebsrat ausgehen. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kann dieser die Entlassung von Arbeitnehmern verlangen, wenn diese durch gesetzwidriges Verhalten oder durch einen Verstoß gegen die in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Grundsätze den Betriebsfrieden wiederholt ernstlich gestört haben. Das Gesetz hebt hier insbesondere rassistische oder fremdenfeindliche Betätigungen von Arbeitnehmern hervor. 

Doch Achtung! Eine Druckkündigung und eine Kündigung auf Verlangen des Betriebsrates sind nicht dasselbe. Denn die Vorschrift des BetrVG setzt einen verhaltens- oder betriebsbedingten Kündigungsgrund voraus – wie die unechte Druckkündigung. Sie stellt also keinen eigenen Kündigungsgrund dar.

6. Wann ist eine fristlose Druckkündigung möglich? 

In der Regel muss der Arbeitgeber bei einer Druckkündigung die geltende Kündigungsfrist einhalten. Eine fristlose Druckkündigung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich: 

Es muss für den Arbeitgeber unzumutbar sein, den Ablauf der Kündigungsfrist abzuwarten. Dies wird nur selten der Fall sein, z.B. wenn dem Arbeitgeber durch das Ausbleiben von Aufträgen oder Kunden ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht. Vielmehr wird der Arbeitgeber auf Maßnahmen wie die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder die bloße Freistellung von der Arbeit zurückgreifen müssen.


Hier erfahren Sie mehr zur fristlosen Kündigung des Arbeitgebers.

7. Fazit 

  • Bei einer Druckkündigung fordern Arbeitnehmer oder Geschäftspartner eines Unternehmens den Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen auf, einen bestimmten Mitarbeiter zu entlassen.
  • Eine echte Druckkündigung ist nur zulässig, wenn der Arbeitgeber sich schützend vor den Betroffenen gestellt hat, dem Betrieb schwere wirtschaftliche Nachteile drohen und die Kündigung das einzige praktische Mittel zur Lösung der Situation ist.
  • Druckkündigungen sind an besonders hohe rechtliche Anforderungen geknüpft. Sie sind daher für den Arbeitgeber sehr fehleranfällig. 
  • In bestimmten Fällen kann der Gekündigte Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber oder die verantwortlichen Kollegen geltend machen.
  • Der Betriebsrat kann die Entlassung von Arbeitnehmern verlangen, wenn diese den Betriebsfrieden durch gesetzwidriges oder z.B. rassistisches oder gewalttätiges Verhalten stören. 
  • Eine fristlose Druckkündigung ist nur in absoluten Ausnahmefällen möglich.

8. Was wir für Sie tun können

Wir beraten und vertreten Sie, wenn Sie eine Druckkündigung erhalten haben oder aussprechen möchten. Im Rahmen des Mandats kümmern wir uns insbesondere um diese Angelegenheiten: 

  • Prüfung, ob eine Druckkündigung vom Arbeitsgericht voraussichtlich für wirksam gehalten wird.  
  • Vertretung vor Gericht im Rahmen der Kündigungsschutzklage.
  • Verhandlungsführung hinsichtlich einer Abfindung.
  • Folgefragen der Kündigung: Überstunden, Resturlaub, Schadensersatz, Arbeitslosengeld und vieles mehr. 
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