Eine Kündigung im öffentlichen Dienst sollten Sie nicht wehrlos hinnehmen. Als Angestellter im öffentlichen Dienst gelten für Sie meist der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder der Tarifvertrag der Länder (TV-L). Beide schützen Sie mit besonderen Vorschriften vor einer Kündigung. Hier erfahren Sie, wann Ihr Arbeitgeber Sie doch kündigen kann und was Sie in diesem Fall tun sollten.
- Wer gehört zum öffentlichen Dienst?
- Wann ist eine Kündigung im öffentlichen Dienst möglich?
- Wer ist im öffentlichen Dienst unkündbar?
- Wie lang ist die Kündigungsfrist im TvöD/TV-L?
- Abfindung im öffentlichen Dienst
- Ist ein Auflösungsvertrag im öffentlichen Dienst möglich?
- Welcher Kündigungsschutz gilt in der Probezeit?
- Fazit
1. Wer gehört zum öffentlichen Dienst?
Die Tarifverträge TVöD und TV-L enthalten besondere Regelungen zum Schutz vor Kündigungen. Sie gelten für
- Angestellte, die beim Bund beschäftigt sind (TVöD)
- Angestellte des Landes (TV-L)
- Angestellte von Kommunen, die dem jeweiligen Arbeitgeberverband der Kommunen angehören (Regelfall)
- Mitarbeiter von Unternehmen, die der Kommune, dem Land oder dem Bund gehören.
Für Beamte gilt hingegen das Beamtenrecht.
2. Wann ist eine Kündigung im öffentlichen Dienst möglich?
Wie andere Arbeitnehmer genießen Sie auch im öffentlichen Dienst den Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG).
Ausnahmen: Wenn Sie noch keine sechs Monate angestellt sind, greift das KSchG nicht (s. unten zur Probezeit). Dasselbe gilt, wenn in Ihrem Betrieb oder der Verwaltung zehn oder mehr Mitarbeiter arbeiten. Dabei werden Teilzeitbeschäftigte mit mehr als 20 Arbeitsstunden als 0,5 Mitarbeiter und solche mit nicht mehr als 30 Stunden als 0,75 Mitarbeiter gezählt. Auszubildende werden nicht berücksichtigt.
Mit Betrieb oder Verwaltung meint das Gesetz jede organisatorische Einheit, die ihre personellen Angelegenheiten selbst regelt. In der Verwaltung kommt es grundsätzlich nicht auf die einzelne Dienststelle, sondern die Behörde als ganze an.
Das KSchG legt fest, dass Ihr Arbeitgeber Sie nur kündigen darf, wenn ein verhaltens-, personen-, oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Dies sind die häufigsten Konstellationen:
Kündigung wegen schlechter Arbeit
Wenn Sie Pflichten aus Ihrem Arbeitsvertrag oder in sonstiger Weise das Vertrauen Ihres Arbeitgebers verletzen, kann dieser Sie verhaltensbedingt kündigen.
Allerdings ist in aller Regel zuvor eine Abmahnung erforderlich. Nur bei besonders schweren Pflichtverletzungen, wie z.B. Handgreiflichkeiten gegenüber Kollegen oder sexueller Belästigung, ist die Abmahnung entbehrlich. Eine verhaltensbedingte Kündigung ohne vorherige Abmahnung ist also nur in Ausnahmefällen zulässig. In einem solchen Fall sollten Sie daher einen Fachanwalt für Arbeitsrecht beauftragen.
Kündigung wegen Krankheit
Sie können ebenfalls eine Kündigung erhalten, wenn Sie aufgrund persönlicher Eigenschaften nicht mehr richtig arbeiten können. Dies kann zum Beispiel wegen einer langanhaltenden Krankheit der Fall sein.
Für eine Kündigung wegen Krankheit…
- muss eine negative Gesundheitsprognose vorliegen, d.h. es ist zu erwarten, dass Sie Ihre Arbeitsleistung wegen der Krankheit in Zukunft nicht richtig erbringen können. Fehlzeiten in der Vergangenheit sind nur ein Indiz.
- muss das Interesse Ihres Arbeitgebers an der Kündigung Ihr Interesse überwiegen.
- darf kein milderes Mittel, wie z.B. die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz, in Frage kommen. Der Arbeitgeber wird Sie wegen dieser Anforderung zum sog. betrieblichen Eingliederungsmanagement einladen, bevor er kündigt. Dabei besprechen Sie Möglichkeiten, wie Sie leidensgerecht weiterbeschäftigt werden können. Lädt der Arbeitgeber Sie nicht ein, muss der Arbeitgeber grundsätzlich vor Gericht beweisen, dass keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung in Betracht kam. Das gelingt ihm oft nicht.
Betriebsbedingte Kündigung
Auch wenn Sie Ihre Arbeit tadellos erbringen, kann Ihr Arbeitgeber Sie ggf. aufgrund von dringenden betrieblichen Erfordernissen entlassen. Im öffentlichen Dienst ist dies allerdings recht selten und an besonders strenge Anforderungen des Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz gebunden.
- Die Stelle in einer Körperschaft (z.B. einer Uni), die im Haushaltsplan konkret bezeichnet ist, wird gestrichen.
- Ihre Stelle wird aus dem Personalbedarfsplan gestrichen.
- Der Stadtrat beauftragt die Verwaltung, den Personalbestand einer bestimmten Behörde auf eine konkrete Anzahl zu reduzieren.
Hier darf sich Ihr Arbeitgeber nicht frei aussuchen, wen er kündigt. Er muss stets eine Sozialauswahl unter den jeweils vergleichbaren Mitarbeitern vornehmen und vorrangig diejenigen Arbeitnehmer entlassen, die die Kündigung am ehesten verkraften. Vergleichbar sind Mitarbeiter grundsätzlich, wenn sie
- in derselben Dienststelle tätig sind,
- die gleichen Tätigkeiten ausüben oder der Arbeitgeber sie zumindest mit denselben Tätigkeiten beauftragen könnte und
- derselben Entgeltgruppe angehören.
In der Sozialauswahl muss der Arbeitgeber berücksichtigen:
- Lebensalter (grundsätzlich je höher, desto schutzwürdiger)
- Dauer der Betriebszugehörigkeit (je länger, desto schutzwürdiger)
- Schwerbehinderungen
- Unterhaltspflichten (z.B. als Familienvater)
3. Wer ist im öffentlichen Dienst unkündbar?
In bestimmten Fällen darf Ihr Arbeitgeber Sie auch bei Vorliegen eines ordentlichen Kündigungsgrundes nicht kündigen. Sie sind dann ordentlich unkündbar.
Unkündbarkeit bei langer Betriebszugehörigkeit
Dies gilt im öffentlichen Dienst insbesondere bei langer Betriebszugehörigkeit. Wenn Sie in den „alten Bundesländern“ tätig sind, kann Ihr Arbeitgeber Sie nach § 34 Abs. 2 TVöD / TV-L nicht mehr ordentlich kündigen, wenn Sie
- seit über 15 Jahren bei Ihrem Dienstherrn arbeiten und
- über 40 Jahre alt sind.
Dies gilt nicht, wenn Sie im Tarifgebiet Ost, also den „neuen Bundesländern“ (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) angestellt sind. Ausschlaggebend ist der Dienstsitz. In Berlin kommt es darauf an, ob dieser in Ost- oder West-Berlin liegt.
Gründe dafür können (je nach Einzelfall!) sein:
- Straftaten des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, z.B. Diebstahl von Landeseigentum, Veruntreuung öffentlicher Gelder
- Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme im nicht unerheblichen Ausmaß
- Mobbing und Beleidigungen am Arbeitsplatz
- Dauerhafte Stilllegung einer Verwaltung
- Beharrliche Verweigerung der Arbeit
Unkündbarkeit wegen Schwangerschaft, Elternzeit, Schwerbehinderung, Personalratsmitgliedschaft, Ausbildung & mehr
Wie in der Privatwirtschaft genießen besonders vulnerable Personengruppen auch im öffentlichen Dienst Sonderkündigungsschutz:
- Während der Elternzeit sind Arbeitnehmer nach § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) grundsätzlich unkündbar. Verboten ist nach § 17 MuSchG auch die Kündigung einer schwangeren Mitarbeiterin.
Nur in Ausnahmefällen darf Ihr Dienstherr Sie auch schwanger oder in Elternzeit kündigen. Dazu kann z.B. eine besonders schwere Pflichtverletzung wie Handgreiflichkeiten unter Kollegen gehören. Auch wenn ein solcher Fall vorliegt, ist für die Kündigung aber stets die Zustimmung der zuständigen Landesbehörde erforderlich.
- Schwerbehinderte ab einem GdB von 50 oder Gleichgestellte ab einem GdB von 30 sind ähnlich gut vor einer Kündigung geschützt.
- Mitglieder des Personalrats dürfen während ihrer Amtszeit und ein Jahr im Anschluss grundsätzlich nicht ordentlich gekündigt werden. Einer außerordentlichen Kündigung während der Amtszeit muss der Personalrat als Gremium oder das Verwaltungsgericht zustimmen.
- Auszubildende im öffentlichen Dienst dürfen nach Ablauf der Probezeit nur außerordentlich gekündigt werden.
4. Wie lang ist die Kündigungsfrist im TVöD/TV-L?
Für Angestellte im öffentlichen Dienst gelten besondere Kündigungsfristen nach § 34 TVöD/TV-L. Diese richten sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und ersetzen die gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB.
Für unbefristete Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst gilt demnach:
Dauer der Betriebszugehörigkeit | Kündigungsfrist |
Unter 6 Monate | 2 Wochen zum Monatsende |
Bis zu 1 Jahr | 1 Monat bis Monatsende |
Ab 1 Jahr | 6 Wochen zum Quartalsende |
Ab 5 Jahren | 3 Monate zum Quartalsende |
Ab 8 Jahren | 4 Monate zum Quartalsende |
Ab 10 Jahren | 5 Monate zum Quartalsende |
Ab 12 Jahren | 6 Monate zum Quartalsende |
5. Abfindung im öffentlichen Dienst
Auch im öffentlichen Dienst wird nach einer Kündigung des Arbeitgebers häufig eine Abfindung gezahlt. Es gibt mehrere Wege, über die Sie – je nach Fall – zu einer Abfindung gelangen; die wichtigsten:
Abfindung im Tarifvertrag
Wenn Ihr Arbeitgeber Sie aus betriebsbedingten Gründen kündigt (im Sinne eines Personalabbaus), legt grundsätzlich der Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz (RatSchTV) eine Abfindung fest. Die Höhe richtet sich nach dieser Tabelle, die die Anzahl der Monatsgehälter angibt, die Ihnen als Abfindung zustehen:
Beschäftigungszeit | Bis 39 | Ab 40 | Ab 45 | Ab 50 | Ab 55 |
3 Jahre | – | 2 | 2 | 3 | 3 |
5 Jahre | 2 | 3 | 3 | 4 | 5 |
7 Jahre | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 |
9 Jahre | 4 | 5 | 6 | 7 | 9 |
11 Jahre | 5 | 6 | 7 | 9 | 11 |
13 Jahre | 6 | 7 | 8 | 10 | 12 |
15 Jahre | 7 | 8 | 9 | 11 | 13 |
17 Jahre | 8 | 9 | 10 | 12 | 14 |
19 Jahre | 9 | 10 | 11 | 13 | 15 |
21 Jahre | 10 | 11 | 12 | 14 | 16 |
23 Jahre | – | 12 | 13 | 15 | 17 |
25 Jahre | – | 13 | 14 | 16 | 18 |
Abfindung mit Arbeitgeber aushandeln
Aufgrund der strengen Kündigungsschutzvorschriften im KSchG und dem TVöD/TV-L ist eine Kündigung häufig rechtlich angreifbar. Einen langwierigen Kündigungsschutzprozess möchten Arbeitgeber aber in der Regel verhindern. Denn wenn Ihr Arbeitgeber den Prozess verliert, muss er Sie für die gesamte Prozessdauer nachbezahlen. Daher können Sie häufig eine attraktive Abfindung dafür verlangen, dass Sie nicht gegen die Kündigung klagen.
Wenn Sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit Ihrer Kündigung haben, können Sie innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung eine Kündigungsschutzklage erheben. Während des Prozesses wird dann häufig ein Vergleich geschlossen, in dem Ihr Arbeitgeber Ihnen eine Abfindung anbietet, wenn Sie die Klage fallen lassen.
6. Ist ein Auflösungsvertrag im öffentlichen Dienst möglich?
Ein Auflösungsvertrag beendet das Arbeitsverhältnis einvernehmlich mit Ihrem Arbeitgeber. Dies hat zur Folge, dass Ihr Arbeitgeber keine Kündigungsschutzvorschriften beachten muss.
Ein Auflösungsvertrag ist also möglich, für Sie jedoch selten vorteilhaft. Nur wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen im Gegenzug eine hohe Abfindung anbietet, sollten Sie einem solchen Vertrag zustimmen. Sie sind niemals zur Zustimmung verpflichtet.
7. Welcher Kündigungsschutz gilt in der Probezeit?
Im öffentlichen Dienst können Arbeitnehmer in der Probezeit auch ohne einen Kündigungsgrund entlassen werden. Nach § 34 Absatz 1 TVöD gilt hierfür eine Frist von 2 Wochen zum Monatsende. Allerdings sind Arbeitnehmer auch hier nicht schutzlos. Die Kündigung ist insbesondere rechtswidrig, wenn sie:
- gegen die guten Sitten verstößt (z.B. wegen rassistischer Motive)
- als Maßregelung erfolgt, weil Sie Ihre Rechte geltend gemacht haben (z.B. aufgrund eines Urlaubsantrags)
- gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt.
8. Fazit
- Ihr Arbeitgeber darf Sie nur kündigen, wenn ein verhaltens-, personen-, oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegt. Das gilt grundsätzlich auch im öffentlichen Dienst.
- Wenn Sie seit über 15 Jahren bei Ihrem Dienstherrn arbeiten und über 40 Jahre alt sind, darf Ihr Arbeitgeber Sie im Tarifgebiet West nicht mehr ordentlich kündigen.
- Für Angestellte im öffentlichen Dienst gelten längere Kündigungsfristen.
- Nach einer Kündigung haben Sie oft gute Chancen auf eine Abfindung. Wenn in Ihrem Tarifvertrag keine Abfindung festgelegt ist, können Sie häufig eine Abfindung mit Ihrem Arbeitgeber aushandeln oder im Wege einer Kündigungsschutzklage erreichen.
- Ein Auflösungsvertrag ist für Arbeitnehmer in der Regel nur mit einer hohen Abfindung vorteilhaft.