Tod eines OHG-Gesellschafters: Wer tritt an seine Stelle?

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Im Fall des Todes eines Gesellschafters einer Offenen Handelsgesellschaft (OHG) stellt sich regelmäßig die Frage, was mit seinen Gesellschaftsanteilen passiert. Das Handelsgesetzbuch (HGB) sieht hierfür eine Regelung vor, von der im Gesellschaftsvertrag aber abgewichen werden kann.

In diesem Beitrag erklären wir Ihnen, welche Möglichkeiten in Betracht kommen und in welchen Fällen diese jeweils zweckmäßig sind.

  1. Die gesetzliche Regelung
  2. Wie kann vertraglich abgewichen werden?
    1. Einfache Nachfolgeklausel
    2. Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel
    3. Qualifizierte Nachfolgeklausel
    4. Eintrittsklausel
    5. Auflösungsvereinbarung
  3. Fazit
  4. Was wir für Sie tun können

1. Die gesetzliche Regelung

Gemäß § 131 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 HGB gilt, dass im Falle des Todes eines Gesellschafters die OHG mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Die Erben des Verstorbenen treten nicht an seine Stelle und werden keine Mitgesellschafter. Der Anteil des Verstorbenen am Gesellschaftsvermögen fällt vielmehr den übrigen, verbleibenden Gesellschaftern zu. Allerdings können die Erben Abfindungsansprüche des Gesellschafters geltend machen.

 

Beispiel 1: A, B und C halten jeweils 33,33% an der ABC-OHG. Stirbt A, wird die Gesellschaft von B und C fortgeführt. Sie halten nunmehr jeweils 50% der Gesellschaftsanteile.

Etwas anderes gilt, wenn die OHG eine Zweipersonengesellschaft ist. Stirbt einer der beiden Gesellschafter, so hört die Gesellschaft auf zu existieren. Das Vermögen der Gesellschaft geht grundsätzlich auf den verbleibenden „Gesellschafter“ über.

2. Wie kann vertraglich abgewichen werden?

Oftmals entspricht die gesetzliche Regelung nicht den Interessen der Gesellschafter. Die gesetzliche Regelung ist allerdings nicht zwingend. Im Gesellschaftsvertrag wird regelmäßig von ihr abgewichen. Ziel aller Regelungen ist es, dass die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen oder anderen Personen fortgesetzt wird.

Folgende Möglichkeiten zur Regelung im Gesellschaftsvertrag gibt es:

a) Einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel

Die einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel bewirkt, dass die OHG mit einem nach dem Tod eintretenden Erben als neuen Gesellschafter fortgesetzt wird. Sie bestimmt also letztlich nur, dass der Gesellschaftsanteil Bestandteil der Erbmasse des verstorbenen Gesellschafters wird. Wer letztlich in die Gesellschaft nachrückt, bestimmt daher allein der versterbende Gesellschafter (wenn er kein Testament aufsetzt: die gesetzliche Erbfolge). Der Anteil fällt dann allen Erben jeweils entsprechend ihrer Erbquote zu.

Eine Nachfolgeklausel kann auch nur für den Tod eines bestimmten Gesellschafters gelten.

Insbesondere für Zwei-Personen-OHGs hat eine Nachfolgeklausel zur Folge, dass die Gesellschaft im Fall des Todes eines Gesellschafters nicht endet, sondern mit dem Erben fortgeführt wird. Hat der Verstorbene mehrere Erben, so wird sein Gesellschaftsanteil unter allen Erben aufgesplittet. Der Anteil wird also nicht Teil der Miterbengemeinschaft wie es bei allen anderen Erbgegenständen der Fall ist.

 

Beispiel 2: A und B sind jeweils zu 50 Prozent Gesellschafter der Müller-OHG. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine Nachfolgeklausel. B stirbt. Seine Erben sind X (zu 50 Prozent), sowie Y und Z (zu jeweils 25 Prozent). Die Müller-OHG setzt sich nach dem Tod von B folgendermaßen zusammen:

  • A: Gesellschaftsanteil von 50 Prozent
  • X: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent (½ von 50 Prozent)
  • Y: Gesellschaftsanteil von 12,5 Prozent (¼ von 50 Prozent)
  • Z: Gesellschaftsanteil von 12,5 Prozent (¼ von 50 Prozent)

Nach dem Tod von B besteht die Zwei-Personen-OHG also als Vier-Personen-OHG fort. Würde der Gesellschaftsvertrag keine Nachfolgeklausel beinhalten, wäre die OHG mit dem Tod von B aufgelöst.

b) Qualifizierte Nachfolgeklausel

Im Unterschied zur einfachen Nachfolgeklausel werden bei der qualifizierten Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag bestimmte Eigenschaften des neu eintretenden Gesellschafters vorgeschrieben oder eine bestimmte Person (z.B. Kind oder Ehefrau) als Nachfolger benannt.  Der Erblasser/versterbende Gesellschafter selbst kann also nur eingeschränkt bestimmen, wer nach seinem Tod in die Gesellschaft nachrückt. Anders als bei der einfachen erbrechtlichen Nachfolgeklausel fällt der Anteil nicht allen Erben zu.

Neuer Gesellschafter wird grundsätzlich allein der, der sowohl im Testament als auch im Gesellschaftsvertrag benannt ist. Das gilt auch dann, wenn der Wert des Anteils die Erbquote des Bedachten übersteigt.

 

 

Beispiel 3A und B sind jeweils zu 50 Prozent Gesellschafter der Müller-OHG. Der Gesellschaftsvertrag enthält eine qualifizierte Nachfolgeklausel. Sie lautet wie folgt: “Nach dem Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit dem Erben als Nachfolger fortgesetzt, der eine Berufsausbildung in Berlin abgeschlossen hat; der Älteste hat unter mehreren den Vorrang.“

B stirbt. Seine Erben sind kraft Testament V, W, X, Y und Z. W, Y und Z haben eine Berufsausbildung abgeschlossen, alle anderen nicht. Y hat seine Berufsausbildung in Frankfurt am Main abgeschlossen, W und Z in Berlin. Z ist älter als W. Die Müller-OHG setzt sich nach dem Tod von B nun folgendermaßen zusammen:

  • A: Gesellschaftsanteil von 50 Prozent
  • Z: Gesellschaftsanteil von 50 Prozent

Alle anderen Erben von B erfüllen nicht die Voraussetzungen der qualifizierten Nachfolgeklausel, bzw. W muss hinter dem älteren Z zurücktreten.

Achtung: Übersteigt der Wert des erworbenen Anteils die Erbquote des Z, kann er unter Umständen zur Ausgleichung dieses überschießenden Wertes gegenüber den Miterben verpflichtet sein. Ob und in welchem Rahmen dies notwendig ist, sollte präzise im Testament geregelt werden.

Eine qualifizierte Nachfolgeklausel muss bestimmt genug sein, den neuen Gesellschafter ermitteln zu können. Hierbei kann z. B. nach dem Alter, dem Wohnsitz, der Branchenzugehörigkeit oder anderen Kriterien differenziert werden.

Ein Sonderfall stellt sich dar, wenn der Erbe, der nach der qualifizierten Nachfolgeklausel eigentlich Gesellschafter würde, ebenfalls verstorben ist oder das Erbe ausschlägt. Dann kann möglicherweise ein Ersatzerbe zum neuen Gesellschafter berufen werden. Dies ist abhängig von der Auslegung der Nachfolgeklausel. Erfüllen mehrere Erben die Voraussetzungen der qualifizierten Nachfolgeklausel und findet keine Beschränkung auf nur einen Nachfolger statt (wie oben im Beispiel), dann teilen sich die Gesellschaftsanteile unter allen Erben auf, die die Voraussetzungen erfüllen.

 

 

Beispiel 4Situation wie im o.g. Beispiel mit denselben Erben. Die qualifizierte Nachfolgeklausel lautet nun aber: “Im Fall des Todes eines Gesellschafters wird die Gesellschaft mit dem Erben als Nachfolger fortgesetzt, der eine Berufsausbildung in Berlin abgeschlossen hat.“

Wie im vorherigen Beispiel erfüllen W und Z diese Voraussetzungen. Die Müller-OHG setzt sich nach dem Tod von B nun folgendermaßen zusammen:

  • A: Gesellschaftsanteil von 50 Prozent
  • W: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent (½ von 50 Prozent)
  • Z: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent (½ von 50 Prozent)

Als mögliches Problem stellt sich die Situation dar, dass die Regelung im Gesellschaftsvertrag von derjenigen im Testament des Verstorbenen abweicht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der im Gesellschaftsvertrag als Nachfolger Vorgesehene nicht Erbe wird. Die Klausel geht dann ins Leere. Sie kann je nach Einzelfall allerdings umgedeutet werden. Soll der vom Gesellschaftsvertrag Vorgesehene in jedem Fall Nachfolger werden, kann die Klausel als Eintrittsklausel umgedeutet werden (so vom Bundesgerichtshof in einem Fall angenommen). Der vom Gesellschaftsvertrag Bedachte muss dem Eintritt in die Gesellschaft dann allerdings zustimmen.

c) Rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel

Eine weitere Alternative ist die rein rechtsgeschäftliche Nachfolgeklausel. Im Unterschied zur einfachen Nachfolgeklausel wird der Gesellschaftsanteil des Verstorbenen hier nicht Teil seines Nachlasses. Wer Nachfolger wird, bestimmt sich rein vertraglich.

Der Hinzutretende muss dem Erwerb des Geschäftsanteils natürlich zustimmen – schließlich treffen ihn als Gesellschafter auch diverse Pflichten (z.B. Beitragspflicht), die ihm die Gesellschaft nicht gegen seinen Willen auferlegen kann. Ohne Zustimmung wäre diese Regelung wegen der Verpflichtungen sonst ein sog. Vertrag zu Lasten Dritter, der immer unwirksam ist.

In Betracht kommt die rechtsgeschäftliche Regelung daher insbesondere, wenn entweder einzelne bisherige Gesellschafter den Anteil erwerben sollen oder der Hinzutretende dem Erwerb zustimmt.

Zu beachten ist bei dieser Lösung, dass der Anteil nie Teil der Erbmasse wurde. Die Erben erhalten daher keine Abfindungsansprüche. Auch besteht kein Ausgleichsanspruch gegenüber dem Nachfolger.

Wenn der Anteil unentgeltlich verschenkt wurde, kann Pflichtteilsberechtigen (enterbte/r Abkömmlinge und Ehegatte) in Einzelfällen gegen die Erben eine Ausgleichszahlung zustehen (Pflichtteilsergänzungsanspruch).

d) Eintrittsklausel

Die Eintrittsklausel berechtigt einen Erben oder Nichterben für den Fall des Todes eines Gesellschafters dazu, in die OHG neu einzutreten. Anders als bei der einfachen oder qualifizierten Nachfolgeklausel geschieht der Eintritt nicht automatisch. Vielmehr hat der Berechtigte ein Wahlrechtund damit keine Eintrittspflicht. Unabhängig davon, wie sich der Berechtigte entscheidet, wird die OHG aber fortgeführt, sofern nicht nur ein Gesellschafter übrig bleibt.

Der Gesellschaftsvertrag bestimmt, wer ein Eintrittsrecht erhält. Der Kreis möglicher Berechtigter ist gerade nicht auf die Erben beschränkt.

Zugunsten der Erben fallen grundsätzlich Abfindungsansprüche an.

Die Eintrittsklausel kann mit Bedingungen verknüpft werden, die der Neueintretende zunächst erfüllen muss. Dies kann z. B. die Zahlung einer Einlage sein. Werden etwaige Voraussetzungen erfüllt, so erfolgt der Gesellschaftsbeitritt durch einen Beitrittsvertrag mit den verbleibenden Gesellschaftern.

Stirbt ein Gesellschafter einer Zwei-Personen-OHG und findet sich im Gesellschaftsvertrag eine Eintrittsklausel, so kann die OHG für den Zeitraum zwischen Tod und Entscheidung des Berechtigten nicht als “Ein-Personen-OHG” fortbestehen. Daher ist in diesem Fall die Neugründung einer OHG zwischen dem Berechtigten und dem verbliebenen vormaligen Gesellschafter nötig.

 

 

Beispiel 5A und B sind jeweils zu 50 Prozent Gesellschafter der Müller-OHG. Der Gesellschaftsvertrag beinhaltet folgende Eintrittsklausel: “Nach dem Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft fortgesetzt. Die Erben jedes verstorbenen Gesellschafters haben das Recht, in die Gesellschaft zu den Bedingungen des verstorbenen Gesellschafters einzutreten.”

B stirbt. Hierdurch endet die OHG (eine „Ein-Personen-OHG gibt es laut BGH nicht). Y und Z sind Erben des B. Y hat kein Interesse, Gesellschafter zu werden. Z überlegt zwei Monate und entscheidet sich dann für einen Eintritt. Während dieser zwei Monate konnte die Müller-OHG nicht als “Ein-Personen-OHG”, mit A als alleinigem Gesellschafter, weiter existieren. Vielmehr muss nun die neue “Müller-2-OHG” mit A und Z als jeweils 50 %-igen Gesellschaftern gegründet werden.

 

 

Beispiel 6: A, B, C und D sind zu jeweils 25 Prozent Gesellschafter der Müller-OHG. Der Gesellschaftsvertrag beinhaltet die Eintrittsklausel aus Beispiel 5. B stirbt. Berechtigte sind, wie in Beispiel 5, Y und Z. Beide wollen Gesellschafter werden. Die Müller-OHG setzt sich nach dem Tod von B nun folgendermaßen zusammen:

  • A: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent
  • C: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent
  • D: Gesellschaftsanteil von 25 Prozent
  • Y: Gesellschaftsanteil von 12,5 Prozent (½ von 25 Prozent)
  • Z: Gesellschaftsanteil von 12,5 Prozent (½ von 25 Prozent)

Hinweis: Die Abgrenzung der Eintrittsklausel von der qualifizierten Nachfolgeklausel erweist sich in der Praxis immer wieder als schwierig. Es sollten eindeutige Formulierungen gewählt werden. Im Zweifel wird von den Gerichten sonst nämlich angenommen, dass eine qualifizierte Nachfolgeklausel vorliegt.

e) Auflösungsvereinbarung

Schließlich kann im Gesellschaftsvertrag auch die Auflösung der OHG im Falle des Todes eines Gesellschafters vereinbart werden. Im Falle einer Auflösungsvereinbarung wandelt sich die OHG nach dem Tod in eine Liquidationsgesellschaft zur Auseinandersetzung unter den Gesellschaftern um.

3. Fazit

Das Gesetz sieht vor, dass die OHG nach dem Tod eines Gesellschafters grundsätzlich unter den übrigen Gesellschaftern fortgeführt wird. Die Erben des Verstorbenen erhalten lediglich Abfindungsansprüche.

Folgendermaßen kann von dieser Regelung abgewichen werden:

  • Einfache erbrechtliche Nachfolgeklausel: Der Gesellschaftsanteil des Verstorbenen wird Teil der Erbmasse. Alle Erben werden also Gesellschafter. Es entstehen keinerlei Abfindungsansprüche.
  • Qualifizierte erbrechtliche Nachfolgeklausel: Anteil wird Teil des Nachlasses. Allerdings muss der Erbe die Voraussetzungen erfüllen, die der Gesellschaftsvertrag an ihn stellt. Es fallen keine Abfindungsansprüche an. Allerdings kann der bedachte Erbe gegenüber den Miterben zum Ausgleich verpflichtet sein.
  • Gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel: Allein der Gesellschaftsvertrag bestimmt, wer Erbe wird. Die Beteiligung des Nachfolgers ist erforderlich. Eine Abfindungszahlung an die Erben muss von der Gesellschaft nicht geleistet werden.
  • Eintrittsklausel: Der Gesellschaftsvertrag gibt einer beliebigen Person das Recht, in die Gesellschaft einzutreten. Anders als bei den erbrechtlichen Klauseln kann die Person wählen, ob sie das Angebot annimmt oder nicht. Es entstehen i. d. R. Abfindungsansprüche der Erben.
  • Auflösungsvereinbarung: Soll die Gesellschaft im Fall des Todes eines Gesellschafters enden, kann auch dies im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Die Erben haben i. d. R. Abfindungsansprüche.

4. Was wir für Sie tun können

Die optimale Gestaltung der Nachfolge in die OHG ist äußerst komplex. Anwaltlicher Rat ist daher dringend zu empfehlen.

Wir unterstützen Sie

  • bei der Ermittlung der für Sie optimalen Regelung. Dabei sind diverse gesellschaftsrechtliche, erbrechtliche und steuerrechtliche Aspekte zu beachten.
  • bei der rechtssicheren Formulierung entsprechender Klauseln. Die breiten Gestaltungsmöglichkeiten schaffen häufig Rechtsunsicherheit. Wir vermeiden Abgrenzungsschwierigkeiten und daraus folgende Rechtsstreitigkeiten.
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